Therapie

Therapie

Therapie


19.02.2024

Ein Riss mit schwerwiegenden Folgen

Ein Riss mit schwerwiegenden Folgen

Knieverletzungen,Teil 2: Das Kreuzband

Das Kniegelenk muss im funktionellen Alltag immer zwischen Stabilität und Mobilität wechseln. Es muss so beweglich sein, dass alle erforderlichen Aktivitäten und Bewegungen durchgeführt werden können – und das Kniegelenk muss dabei so stabil wie möglich bleiben, um das Verletzungsrisiko minimal zu halten. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Kreuzbänder. Verletzungen treten am häufigsten beim Sport auf.

Das Kniegelenk kann sich anbeugen und wieder strecken. Das sind die vorrangig wichtigsten Bewegungen. Bei zunehmender Beugung des Kniegelenkes kann sich auch der Unterschenkel drehen. So kommt ein zusätzlicher Freiheitsgrad hinzu, der muskulär und bandhaft stabilisiert werden muss.

Vorderes und hinteres Kreuzband

Dafür hat das Kniegelenk unter anderem sogenannte Kreuzbänder (vorderes & hinteres Kreuzband). Diese sorgen dafür, dass der Unterschenkel bei allen Bewegungen stabil im Gelenk zentriert werden kann.

Das vordere Kreuzband verhindert eine sogenannte „vordere Schublade“ – der Unterschenkel wird von diesem Kreuzband nach hinten stabilisiert. Unter einer "vorderen Schublade" versteht man ein, gegen den Oberschenkel nach vorne stehendes Schienbein - d.h., das Schienbein steht nach vorne ab und bildet eine Stufe oder eine „Schublade“.

Das hintere Kreuzband verhindert die Bewegung des Unterschenkels nach hinten – also eine „hintere Schublade“. Bei einer „hinteren Schublade“ ist eine Fehlstellung des Unterschenkels nach hinten zu beobachten – der Unterschenkel bildet also eine Schublade gegen den Oberschenkel nach hinten. Bei einer vorderen oder hinteren Schublade handelt es sich um sogenannte strukturelle Instabilitätszeichen.

Funktionell sind die Kreuzbänder also dafür verantwortlich, dass der Unterschenkel nicht zu weit nach vorne oder nach hinten verrutschen kann. Durch zwei intakte Kreuzbänder wird der Unterschenkel mittig im Kniegelenk zentriert gehalten und kann somit stabil im Kniegelenk verankert bewegt werden. Die Kreuzbänder geben dem Kniegelenk also Stabilität und Halt bei allen Bewegungen, sowohl im Alltag bei einfachen Bewegungen wie z.B. dem Treppensteigen, als auch im Sport.

Verletzungen der Kreuzbänder

Bei Verletzungen der Kreuzbänder sind vor allem komplette Risse oder Teilrisse (partieller Kreuzbandriss), aber auch Überdehnungen zu finden. Verletzungen der Kreuzbänder sind die größten und folgenschwersten Verletzungen des Kniekomplexes.

Am häufigsten treten Kreuzbandrisse durch Sportverletzungen auf. Fußball und der alpine Skisport sind dabei besonders häufig vertreten. Auch bei Sportarten mit schnellen abrupten Bewegungsänderungen (Tennis, Badminton oder Squash) sind die Kreuzbänder starken Belastungen ausgesetzt und haben dadurch auch ein erhöhtes Verletzungsrisiko.

Der Kreuzbandriss tritt vor allem bei Verdrehung des gebeugten Kniegelenkes mit fixiertem Unterschenkel auf. Es kann aber auch ganz profan bei einem Sturz vom Fahrrad, von der Kellertreppe oder bei einem einfachen Stolpern im Garten zu einer Kreuzbandverletzung kommen.

„Begleitverletzungen“

Oft treten zusätzlich bei einer Kreuzbandverletzung auch Kollateralschäden, sogenannte typische „Begleitverletzungen“ auf. Da der Innenmeniskus und das Innenband mit dem vorderen Kreuzband direkt verbunden sind, sind diese Strukturen häufig mit verletzt und sorgen für ein ausgedehntes Verletzungsgebiet mit entsprechend verlängerter Regenerationszeit – sportmedizinisch spricht man dann von einem sogenannten „unhappy triad“.

Je mehr Strukturen verletzt sind, desto länger ist die zu erwartende Heilungsdauer für die Regeneration aller beteiligten Strukturen.

Typische Symptome bei einer Kreuzbandverletzung:

  • ››› zu Beginn teils sehr starke Schmerzen
  • ››› nach der Verletzung liegt eine sehr deutliche Schwellung vor, manchmal auch mit ausgedehntem Bluterguss, der sich bis in der Kniekehle und in den Unterschenkel ausbreiten kann (der Schwerkraft folgend)
  • ››› häufig ist auch eine nachfolgende Instabilität beim Sport, bei normalem Gehen oder Drehbewegungen des Knies – ein Gefühl, als würde das Knie „nachgeben“ oder „einsacken“ (auch bekannt als sog. „Giving-way Phänomen“)

Therapie: eine Frage der Symptome und der Aktivität

Je nach bestehenden Symptomen und angestrebtem Aktivitätsniveau, kann eine Kreuzbandverletzung sowohl konservativ, als auch operativ versorgt und behandelt werden.

Bei jüngeren und sportlich sehr aktiven Betroffenen, ist eine operative Versorgung durchaus in Erwägung zu ziehen. Wobei mit einer frühfunktionellen konservativen Rehabilitation mit anschließender intensiver Trainingstherapie vergleichbar sehr gute Erfolge zu verzeichnen sind. Eine Operation ist bei Kreuzbandverletzungen also nicht immer erforderlich.

Konservativer Therapieweg

Bei einer konservativen Therapiestrategie werden die Therapieabschnitte in drei Phasen eingeteilt.

1. Die Akutphase – Return to activity

Direkt nach der Verletzung müssen die unmittelbaren Auswirkungen der Verletzung und der vorherrschenden Symptome behandelt werden. In den ersten Wochen nach der Verletzung sind die Prozesse der Regeneration sehr entzündungsdominant. Hier stehen vor allem Schmerzreduktion, Schwellungsresorbtion und Mobilisationen im Vordergrund. Auch ein angepasster Beginn in ein aktives Bewegungstraining sollte hier bereits initiiert werden.

2. Aufbauphase – Return to sport

In der Aufbauphase kommen immer mehr aktive Inhalte und ergänzen den Therapieplan der Akutphase. Der anfangs bestehende permanente Dauerschmerz ist nun einem sporadisch auftretenden und vielmehr bewegungs- und belastungsabhängigen Schmerzverhalten gewichen. So kann nun bereits mit einem effektiven Training von Ausdauer und Kraft in niedriger Intensität begonnen werden – stets angepasst an das individuelle Schmerzerleben, die Schwellungsneigung und das individuelle Zutrauen des Patienten.

In dieser Phase wird das erneuerte Gewebe einer steigenden Belastbarkeit zugeführt und die neu gebildeten Gewebe benötigen bereits gewebespezifische Trainings- und Therapiereize.

3. Trainingsphase – Return to competition

Bei steigender Belastung kann nun in ein geplantes medizinisches Aufbautraining übergegangen werden. Dabei können nun auch individuelle Belastungsmessungen durchgeführt werden, um einen effektiven Trainingsplan zu erstellen. Von funktionellem Training kann dann auch in der Progression zu Sportart spezifischem Training bis zur Vollbelastung übergegangen werden.

Operativer Therapieweg

Entscheidet sich der Patient nach eingehender ärztlicher Beratung für einen operativen Behandlungsweg, wird in erster Linie eine Rekonstruktion des verletzten und gerissenen Kreuzbandes angestrebt. Dazu wird meist ein körpereigenes Material (Sehne: Patellarsehne, Semitendinosussehne, Gracilissehne) oder alternativ ein künstliches Band eingesetzt.

Auch nach einem operativen Vorgehen müssen in der Nachbehandlung die OP-Folgen (Kraftverlust, Bewegungseinschränkung und Schmerz mit Schwellungsneigung) therapiert werden. Nach einem operativen Eingriff müssen also ebenfalls wie bei der konservativen Therapie die Beweglichkeit des Kniegelenkes, Kraft und Ausdauer wiederhergestellt und trainiert werden.

Ebenfalls ist eine intensive funktionelle Übungsbehandlung erforderlich. Nur durch eine effektive und gründ - liche Nachbehandlung wird das Kniegelenk auch wieder in vollem Maß beweglich und belastbar für die Alltagaktivitäten und Sport.

Kay Bartrow

Bild: ©shutterstock_2082470089


‹ Zurück

© TT-Digi 2024