Therapie

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04.11.2024

Schnellere Regeneration bei Long-Covid mit Neuroathletik-Training

Schnellere Regeneration bei Long-Covid mit Neuroathletik-Training

Das Coronavirus brachte neben einer Infektion für eine leider recht große Gruppe auch die multi - systematische Erkrankung Long Covid mit sich. Weltweit leiden Millionen Menschen an verschiedensten Symptomen, deren genaue Ursache noch unklar ist. Das macht auch Therapieansätze zu einer Herausforderung. Ein erfolgversprechender Ansatz könnte neurozentriertes Training sein.

Von Post- oder Long Covid hatte im Jahr 2020 noch niemand etwas gehört. Für mich sahen die meisten Probleme dieser neuen Post-Covid-Klientengruppe im Jahr 2020 nach Gehirnproblemen aus. Ich trainierte die post akuten Covid-Erkrankten deshalb ganz ähnlich wie Sportler, die eine Gehirnerschütterung erlitten hatten. Diese Strategie funktionierte auch bei den Post-Covid-Klienten.

Wir arbeiteten mit verschiedenen Atemtechniken, die die Gewebeperfusion verbesserten, trainierten die Muskeln der Ein- und Ausatmung, stimulierten die Bogengänge des Gleichgewichtssystems, um Schwindel, autonome Dysregulation und Tachykardien zu reduzieren. Wir aktivierten den Frontallappen durch visuelles und kognitives Training. Gehtraining oder andere physisch belastende Trainingsformen führten wir erst dann durch, wenn das sympathische System entweder wieder aktiviert wurde oder bei anderen Erkrankten der quasi permanent ungehemmte Sympathikus besser reguliert werden konnte.

Was ist Long Covid?

Long Covid wird heute als multisystemische Erkrankung mit oft schweren Symptomen definiert, die auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 folgen. Mindestens 65 Millionen Menschen weltweit haben eine Long-Covid-Erkrankung. Es wurden mittlerweile mehr als 200 Symptome mit Auswirkungen auf mehrere Organsysteme identifiziert. Die Ursache für die vielfältigen Beschwerden liegt tatsächlich oftmals in bestimmten Bereichen des Gehirns. Besonders die neurologischen Folgen von SARS-CoV-2 erfordern einen multidisziplinären Therapieansatz mit einer Kombination aus medizinischen Maßnahmen, Rehabilitationsstrategien sowie zusätzlichen Modalitäten zur Verbesserung der neurologischen Funktionalität der Patienten.

Die genaue Ursache all dieser Symptome ist noch nicht vollständig verstanden, aber Studien weisen darauf hin, dass Entzündungen sowie ein Energiedefizit im Gehirn und Nervensystem eine zentrale Rolle spielen. Das Fehlen einer einheitlichen Therapie macht die Rehabilitation von Long-CovidPatienten besonders herausfordernd. Ein ganzheitlicher und innovativer Ansatz in der Rehabilitation ist das neurozentrierte Training – wie wir es weiter oben exemplarisch beschrieben haben.

Was ist neurozentriertes Training?

Neurozentriertes Training, auch bekannt als Neuroathletik, ist ein ganzheitlicher Ansatz und basiert auf der gezielten Aktivierung und Reorganisation des Gehirns und des Nervensystems. Das Prinzip der Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, neue Verbindungen zu schaffen und sich an veränderte Bedingungen anzupassen, bildet die Grundlage dieses Ansatzes.

Der Fokus des Trainings liegt auf der gezielten Ansprache von Hirnarealen, die bei Long-Covid-Patienten beeinträchtigt sind, wie dem vestibulären System, dem autonomen Nervensystem und dem visuellen System. Durch gezielte Reize können neuronale Funktionen wiederhergestellt und die allgemeine Lebensqualität verbessert werden.

Wie kann neurozentriertes Training bei Long Covid helfen?

Das Gehirn entscheidet über unser physisches und psychisches Leistungsvermögen. Das Verständnis über das komplexe Zusammenspiel unserer Neuronen ist der Ausgangspunkt des neurozentrierten Trainings. Die Besonderheit von Long Covid liegt in der anhaltenden neurologischen Dysregulation. Durch regelmäßiges Training können Gehirnfunktionen langsam wieder aufgebaut werden. Diese gezielten Übungen verbessern die Durchblutung im Gehirn, fördern die Ausschüttung des neurotrophen Faktors BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor), stellen die neuronalen Verbindungen wieder her und normalisieren die autonome Regulation.

Welche wissenschaftliche Evidenz gibt es für neurozentriertes Training bei Long Covid?

Die wissenschaftliche Grundlage für das neurozentrierte Training liegt in der modernen Forschung zur Neuroplastizität. Studien zeigen, dass gezielte Übungen die Gehirnfunktion verbessern und neuronale Netzwerke wiederherstellen können. Erste Studien und eigene Erfahrungsberichte belegen, dass durch die Aktivierung spezifischer Hirnregionen und die Verbesserung neuronaler Verbindungen positive Effekte auf die Lebensqualität erzielt werden können.

Fazit

Neurozentriertes Training bietet einen innovativen und vielversprechenden Ansatz für die Rehabilitation von Long-CovidPatienten. Es konzentriert sich auf die Wiederherstellung neuronaler Funktionen durch gezielte Übungen und nutzt die Neuroplastizität des Gehirns, um Defizite zu überwinden. Die wissenschaftliche Basis sowie die ersten klinischen Erfahrungen zeigen, dass neurozentriertes Training eine effektive Möglichkeit ist, die Lebensqualität von Long-CovidPatienten nachhaltig zu verbessern und dass konkrete Übungen den Patienten ermöglichen, aktiv zur Verbesserung ihrer Gesundheit beizutragen. In Kombination mit traditionellen Therapiemethoden bietet es eine wertvolle Ergänzung zur Förderung der Regeneration.


Tauchen Sie tiefer in dieses faszinierende Thema ein beim ARTZT Neuro-Symposium auf der Therapie Messe in München, vom 3. bis 5. Dezember 2024. Informationen unter: www.artztneuro.com/symposium


Die Autoren

Dr. Julia Steinhardt ist gegenwärtig an der Universität zu Lübeck tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Kognitive Neurowissenschaften, Neuromodulation, und Neurometabolismus.

Der ehemalige Spitzensportler Marc Nölke ist als Trainer und Ausbilder aktiv. Sein Training basiert auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, klassischer Trainingswissenschaft und seiner großen Erfahrung durch die Arbeit mit unterschiedlichsten Menschen.

https://www.neuro-rider.com/

https://www.covid-neuro-training.com/


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