Therapie

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14.06.2021

Hygiene im Corona-Jahr

Hygiene im Corona-Jahr

Eine Umfrage unter Physiotherapie-Praxisinhabern: Physiotherapeuten mussten schon vor der Pandemie besondere Regeln hinsichtlich der Hygiene befolgen. Wie hat sich das im Laufe des letzten Jahres verändert?

Mit der Maskenpflicht in der Praxis verfestigte sich die Nutzung von OP-Masken im Praxisalltag, später kamen die FFP2-Masken für Therapeuten, mancherorts auch für die Patienten hinzu. Wie im Handel wurden Plexiglasscheiben aufgestellt, vor allem an der Rezeption, wo Mitarbeiter und Patienten von Angesicht zu Angesicht miteinander sprachen.

Bestehende Hygieneregeln wurden nochmals durch spezielle Hygienekonzepte verfeinert und auf den neuesten Stand gebracht. Nach einem Mehr an Desinfektion von Flächen, Liegen und Händen sowie dem Maskentragen fanden schließlich die Selbsttests für die Mitarbeiter Einzug in die Praxen, teilweise zweimal wöchentlich. Auch das musste vom Praxisinhaber erst einmal durchdacht, konzipiert und dann im Alltag mit dem Team umgesetzt werden. Und das ist aufwendig, wie Markus Neumann betont: „Dies alles kostet viel Extra-Zeit.“ Der Praxisinhaber aus Hessen brachte so die beiden Faktoren, die einen Praxisalltag bestimmen, auf den Punkt: Zeit und Geld.

Faktor Zeit

Nicht nur die zusätzlichen Hygienemaßnahmen an sich beanspruchen Zeit. Auch das Miteinander in einer Therapie-Praxis veränderte sich. Fortbildungen wurden verschoben oder online durchgeführt, Teambesprechungen auf ein Minimum reduziert. Gemeinsame Pausen, in denen Mitarbeiter zusammensitzen und sich austauschen, konnten nicht mehr wie gewohnt wahrgenommen werden.

Geschäftsführer Hans-Peter Huber von Mediana, Zentrum für Physiotherapie & Training, aus Bayern bestätigt: „Pausenzeiten werden nicht mehr gleichzeitig geplant, sondern zeitversetzt.“

Stefan Taube, Inhaber des gleichnamigen Gesundheitszentrums in Mecklenburg-Vorpommern, weist daraufhin, dass auch das Masken-Tragen die eh knappe Ressource Zeit in der Therapie nochmals reduzierte, was entsprechend zu berücksichtigen ist: „Auf die Tragepausen bei den Therapeuten wird in der Terminplanung schon Rücksicht genommen.“

Diese Zeitspannen fehlen obligatorisch in der Therapie und Armin Brucker vom Körperwerk aus Freiburg beziffert auch die Summe, die ihn dieser Zeitaufwand kostet: „Da die Arbeit mit FFP2-Maske eine große Belastung für Mitarbeiter darstellt, haben wir zusätzliche „Verschnaufpausen“ während der Arbeitszeit eingeplant. Normalerweise könnten Therapeuten in dieser Zeit Patienten behandeln, wir verzichten damit täglich auf etwa 200 – 400 EUR Umsatz.“

Faktor Geld

Von der GKV wird eine Pauschale für den Zusatzaufwand erstattet: 1,50 Euro pro Verordnung! Aber wie sehen die Kosten in einer Praxis für die Hygienemaßnahmen tatsächlich aus? Die Ausgaben setzen sich unterschiedlich zusammen.

Armin Brucker führt aus, für was Anschaffungskosten angefallen sind: „Der größte Posten sind sicherlich die Schnelltests für unsere Mitarbeiter, die Kosten werden allerdings von der Kassenärztlichen Vereinigung übernommen. Einmalige Kosten hatten wir vor allem zu Beginn der Pandemie durch die Anschaffung von Desinfektionsspendern, Aufstellern und Plexiglasscheiben. Zusätzlich bestellen wir
regelmäßig Desinfektionsmittel und Mund-Nasen-Schutz-Masken.“ Obwohl er meint, die Kosten seien schwer abzuschätzen, räumt er ein, dass 1,50 Euro pro Verordnung zu knapp berechnet sind. Den gleichen Betrag pro Behandlungstermin hält er für realistischer.

Stefan Taube pflichtet ihm bei und kalkuliert mit ca. 2 Euro pro Behandlung. Sein Kollege Hans Peter Huber findet indes klare Worte: „Die Entschädigung über die Hygienepauschale von 1,50 pro Rezept seitens der GKV nehmen wir zwar zur Kenntnis und rechnen diese auch ab – aber der Beitrag spiegelt die Wertschätzung der Kostenträger gegenüber den Leistungserbringern und den eigenen Versicherten deutlich wider. Meine Meinung dazu: Entweder einen realistischen Betrag vergüten oder gleich sein lassen. Zum Vergleich: Bei meinem letzten Zahnarztbesuch wurden mir 18 Euro Hygienepauschale in Rechnung gestellt. Der Besuch hat 20 Minuten gedauert.“

Praxisinhaber Markus Neumann teilt diese Meinung: „Die 1,50 Euro sind bei einem 10er KG-Rezept oder bei einem 24er-MLD-Rezept ein Witz!“ Physiotherapeut Andre Fuchs vom Medical Concept aus Rheinland-Pfalz bezeichnet die Vergütung als den „berühmten Tropfen auf den heißen Stein“.

Individuelle Investitionen

Die Zeit war für viele schwierig. Doch die befragten Praxisinhaber, alle erfolgreich mit einem Selbstzahlerbereich im Trainingssegment, zeigten, dass sie kreativ lösungsorientiert arbeiten.

Armin Brucker richtete beispielsweise einen zusätzlichen Personalraum ein, um Abstand zwischen Mitarbeitern in Pausenzeiten gewährleisten zu können. Dadurch würden sie sich sicherer bei der Arbeit fühlen und hätten weniger Angst, sich anzustecken, so der Praxisinhaber aus Freiburg. Markus Neumann investierte 15.000 Euro in die Anschaffung von Luftfilteranlagen in der Praxis und in den Trainingsräumen. „Die Raumluftfilter schaffen mehr Sicherheit für die Patienten, aber auch für die Mitarbeiter. Sie ersetzen jedoch das regelmäßige Lüften nicht. Wir haben ein Video mit den Raumluftfiltern gedreht und damit unsere Patienten zum Beispiel über unsere Social Media-Kanäle informiert.“

Eine Lüftungsanlage will auch Andre Fuchs installieren – in der Praxis wie im medizinischen Trainingsbereich. Es werde sich um eine Anlage handeln, welche die Luft filtert und gleichzeitig der Wärmerückgewinnung dient.

Re-Invest durch Schnelltestzentrum?

Zu den Maßnahmen für Hygiene, zur Luftreinigung und zur Flächendesinfektion hat Stefan Taube die Möglichkeit ergriffen, ein Schnelltestzentrum aufzubauen. Stefan Taube: „Wir sind sehr frühzeitig auch ein Covid-19-Schnelltestzentrum geworden. Hierüber wird Sicherheit transportiert, Professionalität nach außen und innen vermittelt und uns einen Vorsprung für eine eventuelle Öffnung unter Auflagen geschaffen.“

In der Vorbereitung auf mögliche Öffnungsszenarien hat sich diese Chance eröffnet. Der Kursraum, der in dieser Zeit nicht genutzt werden konnte, wurde zum Schnelltestzentrum umfunktioniert. Die Tests haben eigene Mitarbeiter, aber auch medizinische Fachangestellte durchgeführt. Abgerechnet wird mit der Kassenärztlichen Vereinigung, doch das läuft noch. Dann erst wird sich zeigen, ob sich die Investition wirklich gelohnt hat.

Eines ist gewiss: Ab dem 1. Juni kann Stefan Taube in seinem Gesundheitszentrum den Trainingsbereich wiederöffnen – für vollständig Geimpfte, Genese oder eben nach Vorlage eines Negativtests.

Training nach einem Schnelltest?

Markus Neumann würde ein Trainieren auch unter Auflagen willkommen heißen: „Da wir sehr viele ältere Kunden haben, die schon geimpft sind, hoffe ich, dass wir bald wieder den Trainingsbereich öffnen können. Da es ja mittlerweile viele Schnelltestzentren gibt, sollte es auch kein Problem für noch nicht Geimpfte sein, einen Schnelltest vor dem Training durchzuführen.“

Auch in Freiburg würde Armin Brucker das gerne realisieren, wobei er auf sein Hygienekonzept vertraut: „Wir sind überzeugt davon, dass das Training auf unserer Fläche sehr sicher ist und ein Ansteckungsrisiko durch unser Hygienekonzept und geschulte Mitarbeiter minimiert werden konnte.“ Hans-Peter Huber führt zudem die Erfahrung der vergangenen zwölf Monate an: „ Ich bin der Meinung, dass unsere Hygiene-Konzepte funktionieren – das hat das letzte Jahr bewiesen – auch ohne Tests.“

Hoffen wir, dass Tests nicht weiterhin unser Leben bestimmen werden, auch wenn sicherlich, die eine oder andere Hygienemaßnahme langfristig bleiben wird.
Reinhild Karasek

Aufmacher: Shutterstock.com_1738080740_Unai Huizi Photography


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