Training

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29.12.2022

Fokus auf Input

Fokus auf Input

Neurozentriertes Training: eine Annäherung

Seit einigen Jahren ist neurozentriertes Training ein spürbarer Trend in den Bereichen Training und Therapie. Aber worum geht es dabei überhaupt? Der Neuro-Experte Andreas Könings erklärt den recht jungen Ansatz und den Unterschied zum konventionellen Training.

Neuroathletik-Training hat seine Wurzeln in den USA und wurde dort Anfang der 2000er Jahre von Dr. Eric Cobb entwickelt. In seinem Ausbildungsinstitut „Z-Health Performance Solutions“ vereint Cobb die Erkenntnisse aus Neurowissenschaft mit der Praxis und vermittelt Trainern und Therapeuten diesen neuartigen Trainingsansatz. Bei Z-Health hat auch Lars Lienhard gelernt, der schlussendlich den Begriff ‚Neuroathletik-Training‘ in Deutschland geprägt hat.

Im Spitzensport etabliert

Es handelt sich daher um eine noch recht junge Disziplin, die gerade erfreulicherweise viel Aufschwung erfährt. Begonnen mit der Fußball WM 2014 in Brasilien, dem Leichtathletik-Erfolg von Gina Lückenkemper 2017 oder aktuell durch den Tennis-Profi Alexander Zverev, hat sich der Begriff ,Neuroathletik‘ im Spitzensport etabliert.

Wobei dieser Trainingsansatz weit mehr kann und aus meiner Sicht das Wort „Athletik“ in dem Begriff ,Neuroathletik‘ manchmal etwas irreführend ist. Athletik ruft häufig eine Assoziation zum Leistungssport hervor. Dabei gehen die Einsatzmöglichkeiten von Neuroathletiktraining weit über den Sportbereich hinaus und dieser Ansatz kann auch hervorragend in der Therapie bzw. in der Reha eingesetzt werden.

Ich verwende daher lieber die Begriffe ,neurozentriertes Training‘, ,Neuro-Training‘ oder ,Neuro-Performance‘, die synonym zu verwenden sind.

Neuroathletik: Das Gehirn im Mittelpunkt

Wenn wir uns den Begriff genauer anschauen, sehen wir, dass dort das Wort „Neuro“ als zentrales Element vorkommt. Dieser Trainingsansatz beschäftigt sich somit in erster Linie mit dem neurologischen System bzw. Nervensystem als entscheidende Instanz. Neuroathletik stellt das Gehirn in den Mittelpunkt.

Unser Gehirn stellt konstant eine Frage: ist es sicher, was gerade passiert? Um diese Frage zu beantworten, arbeitet unser Gehirn nach einem einfachen Schema. Es nimmt Informationen aus der Umwelt auf, verarbeitet und interpretiert sie. Erst nach dieser Einschätzung erfolgt eine Reaktion, die auch als Output bezeichnet werden kann.

Drei Säulen des Neuro-Trainings

Für die Bewegungssteuerung sind die eingehenden Informationen des visuellen Systems, des vestibulären Systems und der Propriozeption relevant. Diese können auch als die drei Säulen des Neuroathletiktrainings bezeichnet werden und sind daher die zentralen Systeme, die im Neuro-Training adressiert werden.

Während in anderen Trainingsbereichen der Fokus auf dem Output, also z B. der Bewegung an sich liegt, konzentriert sich Neuro-Training auf den Input und die Integration.

Unzureichende Infos führen zu Einschränkungen

Funktionieren diese beiden Bereiche nicht einwandfrei, so kann das Ergebnis nicht optimal werden. Sind die eingehenden Informationen fehlerhaft/lückenhaft oder werden als negativ bzw. bedrohlich eingestuft, erhöht dies die Unsicherheit im Gehirn und unser Körper reagiert automatisch mit Schutzmaßnahmen. Dazu zählen in erster Linie die Einschränkung von Kraft und Beweglichkeit, eine Erhöhung der muskulären Spannung, eine Verschlechterung der Stabilität, aber auch Schmerzen.

Das Ziel: Optimierung des Outputs

Verbessert sich hingegen die Informationsqualität oder interpretiert unser Nervensystem einen Input als positiv/hilfreich, so erhöht sich das allgemeine Sicherheitsempfinden in unserem Gehirn. Dies führt zu einer Optimierung des Outputs, was mehr Kraft, eine bessere Beweglichkeit, mehr Stabilität sowie weniger Schmerzen etc. bedeutet. Wir dürfen wissen, dass jede Trainingsübung, die wir ausführen (und alles, was wir im Alltag machen), einen Input darstellt. Somit nehmen wir mit jeder Übung Einfluss auf unser Nervensystem und erhalten immer eine entsprechende Reaktion.

Sehr personalisierter Trainingsansatz

Da unser Nervensystem binnen Sekunden reagiert, ist Testen und Überprüfen einzelner Übungen ein zentraler Bestandteil des Neuro-Trainings und ein unverzichtbares Mittel, um ein effizientes und personalisiertes Training oder auch Therapie zu gestalten. Eine pauschale Aussage darüber, wie eine Übung auf eine einzelne Person wirkt ist nicht möglich, da jeder individuell ist. Neuro-Training stellt somit einen sehr personalisierten Trainingsansatz dar.

Vielfältige Anwendungsgebiete

Neuroathletiktraining lässt sich in allen Bereichen anwenden und hat keine spezifische Zielgruppe. Es ist für jeden geeignet, egal ob es sich um Schmerzpatienten oder Hochleistungssportler handelt, denn jeder von uns hat ein Gehirn und ein Nervensystem. Es kann bei ganz unterschiedlichen Einschränkungen positive Effekte haben, wie z.B. bei Schmerzen, Energielosigkeit, Beweglichkeitseinschränkungen, vielen visuellen Probleme, Leistungsplateaus, Schwindel, Tinnitus, Verdauungsbeschwerden, aber auch ADHS, Parkinson oder Angstzuständen. Die Anwendungsgebiete sind vielfältig.

Neuroathletik als ‚Missing Link‘ für den Trainingserfolg

Neurozentriertes Training ist eher als eine Ergänzung oder Erweiterung zum konventionellen Kraft- Ausdauerund Athletiktraining oder auch zu einer Therapie zu sehen, da das Nervensystem dort bisher keine bzw. wenn überhaupt wenig Beachtung findet. Ich beschreibe Neuro-Training gerne als ‚Missing Link‘, um das reguläre Training schneller und weiter nach vorne zu bringen und langfristig erfolgreich zu sein.

Andreas Könings


Andreas Könings ist Neuroathletik Trainer und erster deutscher Z-Health® Master Practitioner. Er arbeitet unter anderem mit Spitzensportlern aus unterschiedlichen Bereichen, Trainern und Therapeuten zusammen. Andreas ist erfahrener Ausbilder und Mentor im Bereich Neuroathletik und leitet die Deutsche Akademie für Neuro-Performance. www.neuroathletik-training.de, @andreaskoenings.neurocoach


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