Training

Training

Training


06.06.2022

EMS-Training für ein „starkes Herz“

EMS-Training für ein „starkes Herz“

Die Elektromyostimulation (EMS) hat sich als Trainingsform und Therapieart längst etabliert. Studien belegen dessen Nutzen beim Muskelaufbau, aber auch bei Krankheiten wie Osteoporose.

In diesem Fachartikel gibt der EMS-Experte Jens Vatter Hinweise zur Anwendung im kardiovaskulären Bereich.

Hier gibt es vielversprechende Ansätze, die gerade für die Prävention und Therapie von Bedeutung sein dürften. So kamen Untersuchungen an Herz-Insuffizienz-Patienten mit Ganzkörper-EMS nicht nur zum Schluss, dass wichtige Parameter wie die VO2max (maximale Sauerstoffaufnahme) als Kriterium für die Ausdauerleistungsfähigkeit nach EMS verbessert waren gegenüber dem Vortrainingszustand; die Forscher statierten sogar, dass die Patienten verglichen mit anderen Kollektiven und Methoden „überproportional“ von einer EMS-Anwendung profitieren dürften (Fritzsche et al. 2010, van Buuren et al. 2015).

Kontraindikation beachten

Als limitierender Faktor für einen breiteren Einsatz von EMS ist allerdings die insbesondere bei dieser vulnerablen Patientengruppe reduzierte Belastbarkeit und oftmals auch geringe Trainingsaffinität hervorzuheben – zusätzlich eingeschränkt aufgrund der notwendigen engmaschigen Betreuung durch entsprechend qualifiziert ausgebildete Therapeuten.

Ein nicht-medizinisch ausgerichtetes, kommerzielles Setting dürfte diesen Anforderungen sicherlich nicht gerecht werden, was auch die Einstufung und Listung kardiovaskulärer Erkrankungen als relative Gegenanzeige (Kontraindikation) im Rahmen der DIN-Norm 33961:5 sowie der Leitlinien zur Ganzkörper-EMSAnwendung verdeutlicht.

Gerade wegen seiner ausdauer-relevanten Effekte jedoch, insbesondere die verbesserte Kapillarisierung mit einer Erhöhung des Verhältnisses von Kapillaren zu Muskelfasern (und somit mehr Fläche zum Austausch von Substraten und Sauerstoff in den Muskelzellen), die verbesserten (auch immunologischen) Zellmechanismen, allen voran die gesteigerten Zell-Funktionen wichtiger StoffwechselSysteme wie Glukoseaufnahme, Sauerstoff- und Calcium-Ionen-Transport, sowie die gesteigerte Mitochondrien-Zahl, die nach kontinuierlich durchgeführter EMS vor allem nach regelmäßiger und intensiver Anwendung nachgewiesen werden konnten, dürfte ein Ganzkörper-EMS-Training nicht nur im Rahmen einer Sekundärprävention bei Trainern und Therapeuten Interesse wecken.

Keine pauschalierte Empfehlung

Wie sollte ein solches EMS-Training nun aufgebaut sein, wenn die Ziele Ausdauer und Herzgesundheit im Vordergrund stehen? Eine pauschalierte Empfehlung wäre hier sicher verfrüht und sollte auch nicht das Ziel sein, betrachtet man die individuell doch sehr starken Schwankungen gerade hinsichtlich Belastbarkeit und Trainingsvorerfahrung. Daher hier einige relevanten Aspekte im Überblick:

1. Anpassungen im Sinne von Ausdauereffekten sollten immer die aktuelle Stoffwechsel-Situation berücksichtigen und entsprechend als Stoffwechsel-Training verstanden werden; dabei sind neben den EMSspezifischen Einstellungen am Gerät auch insbesondere die Intensität und Belastungsdauer relevant.

2. Die schnellen Muskelfasern, die bei EMS-Krafttraining besonders gut angesprochen werden, nutzen vor allem Phosphate und Glykogen bei ihrer anaeroben Energiegewinnung. Sie lassen sich mit höheren Intensitäten und hohen Frequenzen bei kurzen Trainingsvolumen gut ansprechen. Als Programmeinstellungen kommen hier üblicherweise Frequenzen um die 85 Hertz (Hz) mit kurzen intensiven Impulsphasen von weniger als 5 Sekunden Dauer und ausreichend langer Impulsbreite von etwa 350 Mikrosekunden zum Einsatz; die Trainingszeit sollte entsprechend der hohen Intensität eher kurz gehalten werden.

Hier bieten sich einfache Übungen mit isometrischen oder langsam durchgeführten Bewegungen bei hoher willentlicher Eigenanspannung an. 8 – 12 Wiederholungen je Übung, die Ermüdung sollte hier niedrig gehalten werden. Dies dient als Grundlage für den Kraftund Muskelaufbau – eine Komponente, die beim Thema „Ausdauer“ oft vernachlässigt wird; dabei sehen Experten gerade dies als unbestrittenen Hauptnutzen von EMS!

3. Die Ermüdungsresistenz lässt sich besonders gut mit kurzen Pausenintervallen und mittel-hohen Intensitäten trainieren: im Rahmen der anaeroben Glykolyse werden Kohlenhydrate als Brennstoff genutzt, wobei u.a. Laktat entsteht; dies kann wiederum als Energiequelle für das Herz-Training genutzt werden, sofern der Körper in der Lage ist, immer genug Laktat zu eliminieren (daher sind die Pausen so wichtig!). Die Intensität ist dann etwas weniger ausgeprägt als beim Krafttraining mit EMS, die Trainingsdauer ist ebenfalls kurz, dafür sinken die statischen Anteile zugunsten von kontrolliert geführten, dynamischen Bewegungen. Im Idealfall werden diese Bewegungen auch über die Impulspausen hinweg für einen bestimmten Zeitraum durchgeführt.

Ziel ist hier zusätzlich zur mechanischen Belastung während der Impulse eine obendrein erhöhte metabolische Belastung durch die Aufrechterhaltung einer längeren Eigen-AnspannungsZeit (Time under Tension = TUT). Beispielhaft können dies Kniebeugen mit Endkontraktionen in tiefer Position über vier Impulsphasen inklusiver Pausenphasen hinweg sein (insgesamt also 28 Sekunden) mit anschließend 12 Sekunden Erholungsphase im Stehen. 8 – 10 Intervalle durchführen.

4. Um besonders die metabolische Flexibilität zu fördern, können Intervalle mit hoher TUT (Time under Tension) und längeren aktiven Pausen interessant sein, z.B. je 60 bis 90 Sekunden hohe Übungs-Intensität im Wechsel mit niedrig-intensiven Bewegungen, etwa Ausfallschritte rückwärts mit Gehen am Platz im Wechsel. Hier kann nun das Programm durchaus variiert werden: ein Kraftprogramm mit 85 Hz Frequenz betont dann eher den schnellzuckenden Muskelfaser-Anteil, ein Ausdauerprogramm mit 7 Hz etwa bevorzugt die langsam-zuckende Muskulatur und damit eher den aerob-anaeroben Übergangsbereich und kann so für eine höhere Stoffwechsel-Flexibilität sorgen.

5. Auch ein reines aerobes Ausdauerprogramm im Sinne von Cardiotraining ist denkbar, wobei allerdings erwähnt werden sollte, dass die extra Effekte von EMS mit abnehmender Intensität deutlich geringer ausfallen – was den Hauptnutzen von EMS als Krafttrainingsform unterstreicht. Gerade für wenig Motivierte und Untrainierte aber ein durchaus interessantes Konzept, das neben der Herzgefäß-Elastizität auch als Stressausgleich interessant ist.

Jens Vatter

Abschließend noch einige Tipps und Empfehlungen aus der Praxis:

  • ››› Beginnen Sie mit einer separaten Einheit im Ausdauermodus mit Schwerpunkt aerobem Training bei niedriger/mittlerer Intensität, z.B. 2 – 3 min Intervall / 1 min Gehen!
  • ››› Ausdauerprogramme immer mit 1 x wöchentlicher EMS als Krafttraining kombinieren!
  • ››› Nie länger als 30 Minuten trainieren, um Stresshormonlevel im Griff zu halten!
  • ››› Je intensiver das Training, desto kürzer die Einheit und desto länger die Pausen!
  • ››› Niedrig intensiv beginnen, nur langsam sukzessive steigern!
  • ››› Wenig komplexe Übungen bevorzugen, die Eigenanspannung muss stets gewährleistet sein!
  • ››› Auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung achten!
  • ››› Insbesondere ausreichend Wasser trinken (500 ml vor/während/nach der Einheit)!
  • ››› Erholung (und Schlaf!) beachten!

‹ Zurück

© TT-Digi 2024