Therapie

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03.01.2023

Zukunftsmarkt Diabetes

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Teil 7: Best Practice Bewegungstherapie – Zielsetzung

Peter A. ist Diabetiker. Nachdem seine Ausgangslage mit den krankheitsbedingten körperlichen und psychischen Belastungen in den Ausgaben zuvor beleuchtet wurden, wenden wir uns in diesem Beitrag den Zielen zu, die gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet werden können. Ein Praxisbericht von Christoph Anrich.

Im ersten Schritt ist es wichtig, die gewünschten therapeutischen Anpassungsprozesse, die durch die Bewegungstherapie folgen (sollen), zu erklären. Hinzu kommen konkrete Fragen, die Peter bei Bewegung erlebt hatte.

  • ››› Wie ist der richtige Umgang, wenn die Beine keine Kraft mehr haben?
  • ››› Kann ich den Anstieg des Blutdrucks begrenzen?

Werden die Fragen gemeinsam besprochen, entstehen Vertrauen und Zuversicht.

Aufklärung und Wissen für das Verständnis

Ich erklärte Peter das Zusammenwirken der verschiedenen Organe und Blutwerte. Das nennt man fachlich „Crosstalk“. Wenn ich beispielsweise den Blutzuckerwert, den HbA1cWert senke und Entzündungswerte verringere, sind kurative Anpassungsprozesse in Organen möglich, die bisher kaum bekannt sind. Diese metabolischen Prozesse folgen naturwissenschaftlichen Gesetzen und führen zu medizinischen-therapeutischen Maßnahmen.

Wenn sich die Blut- und Entzündungswerte verbessern, der Blutdruck sinkt, kann man Medikamente niedriger dosieren, was ebenfalls vorteilhaft für die Niere ist. Indem man die systemischen Zusammenhänge aufzeigt, steigt die begründete Hoffnung, der Weg führt zu den gewünschten Ergebnissen. Die Kombination der Grunderkrankung Adipositas mit den Komorbiditäten, zum Beispiel Bluthochdruck und chronisches Nierenversagen (CKD), waren die Leitplanken für die Lebensstilinterventionen.

Wir wollten das Körpergewicht insgesamt, aber vor allem das viszerale Fett reduzieren. Neben den individuellen Werten war es unser Ziel, natürlich auch den Blutdruck zu senken. Das erschien eher wie ein Traum, denn in der Medizin sind Remissionen, rehabilitative Prozesse, bei chronischem Nierenversagen ausgeschlossen. Man kann den Krankheitsverlauf maximal verlangsamen.

Doch die Präzisionstherapie bietet neue Chancen, wenn man für die jeweiligen Subtypen – Unterteilung der Krankheit, wie sie sich bei den einzelnen Personen bemerkbar machen – stimmige Lebensstilinterventionen definiert. Das gelingt nur mit dem Patienten zusammen. Konkret bedeutete dies, dass Peter als betroffener Patient zum beteiligten Mitwirkenden werden musste.

Erfolge durch aktives Mitwirken

Der Vorteil der sinnorientierten Zielerreichungsskala ist, dass man nach vier bis sechs Wochen überprüfen kann, welche Wünsche in welchem Umfang erreicht worden sind. Bei Peter waren die Fortschritte messbar und sichtbar. Die medizinischen Untersuchungen bestätigten die Verbesserungen. Die Nierenwerte wie Kreatin oder GFR verbesserten sich deutlich, was wie ein medizinisches Wunder erschien. Die Bewegungsreichweiten wurden wöchentlich besser. Ich konnte zum Beispiel mit Peter 75 Minuten im gemütlichen Tempo Nordic Walking im Wald machen. Bei Steigungen gingen wir eben sehr langsam oder machten eine kurze Pause. Peter konnte mit der Enkelin wieder auf den Spielplatz und er machte zwei Wanderausflüge über mehrere Tage. Der HbA1c-Wert sank unter die Schwelle, weshalb gar nicht mehr Typ-2-Diabetes diagnostiziert wurde. Der Blutdruck sank. Infolgedessen konnte eine Medikamentenreduktion umgesetzt werden.

Für mich war am wichtigsten, wie sich die Lebensfreude, die wir auch Lebensqualität nennen, deutlich verbesserte. Wir besprachen gemeinsam, wie die täglichen Bewegungszeiten zunehmen. Ein Faktor ist, bewusst die Möglichkeiten im Alltag für mehr körperliche Aktivitäten zu nutzen. Manchmal geht man deswegen sogar einmal mehr als nötig zu Fuß, um eine kleine Erledigung zu machen. Hinzu kommen Übungselemente, die immer Freude machen. Zu diesem Übungsgut gehört das Training der Vestibularmotorik auf spezifischen Geräten. Peter habe ich ein Gerät ausgeliehen und wir haben interessante Herausforderungen, also Übungen, ausprobiert und auch gefunden. Diese Art von Bewegungstherapie steigert die intrinsische Motivation, weil das Training Peter viel Spaß bereitet.

Relevanz der Bewegungstherapie

Die epigenetische Analyse des Blutes oder bestimmter Zellen, um daraufhin die Therapie individuell abzustimmen, ist noch nicht etabliert. Dagegen wissen wir von Hunderten metabolischen Funktionen. Wir kennen Botenstoffe, Enzyme, Hormone, Myokine und wissen, welche metabolischen Prozesse sich verändern, wenn ein Mensch in bestimmten Krankheitsstadien befindet. Über Studien wird evidenzbasiert erforscht, welche Maßnahmen beispielsweise im Bereich der Bewegungstherapie besonders effizient sind, um protektive oder rehabilitative Anpassungsprozesse zu bewirken.

Treten mehrere Krankheitsbilder zusammen auf, ist die Analyse besonders wichtig, denn die notwendige Therapie ist mehr als die Summe der Einzelmaßnahmen. Ich überlegte mir, welche metabolischen Anpassungsprozesse wieder verbessert werden können und auch sich verändern lassen, damit weitere therapeutische Schritte erfolgen könnten. Die Bewegungstherapie konzentriert sich auf Bewegungsmodalitäten, die in unterschiedlichen Intensitäten ausgeführt werden können. Ich möchte dabei grundsätzlich das Zusammenspiel des Zentralnervensystems mit der Muskulatur verbessern.

Je nach Belastung wird die notwendige Energie über verschiedene Mechanismen, aerob oder anaerob, zur Verfügung gestellt. Die Bewegungstherapie ist ein bedeutendes Berufsfeld. Man kann sie in Kursen nach dem Leitfaden Prävention umsetzen oder individuell. Viele Patienten sind dankbar, wenn sie zu Experten gehen können, die sich nicht nur mit dem Fitnesstraining auskennen, sondern auch mit den bewegungstherapeutischen Möglichkeiten. 

Christoph Anrich


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