Therapie

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16.12.2021

Zukunftsmarkt Diabetes

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Teil 1: Die Ausbildung zum „Fachsporttherapeut Diabetes mellitus IHK“

Die Anzahl der Menschen mit der Diagnose Diabetes mellitus steigt kontinuierlich. Wissenschaftlich anerkannt kommt der Bewegungstherapie neben Medikamenten und Ernährung eine wesentliche Rolle zu. Die Prognosen lassen erahnen, wie gefragt Fachsporttherapeuten Diabetes zukünftig sein könnten.

Am 14. November fand der 30. Weltdiabetestag statt. Laut „Gesundheitsbericht Diabetes 2022“ sind in Deutschland 8,5 Millionen Menschen erkrankt. Der Gesundheitsbericht erscheint jährlich zum Weltdiabetestag und wird von der Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Patientenorganisation diabetesDE - Deutsche-Diabetes-Hilfe herausgegeben. Schon vor der 15. Diabetes Herbsttagung am 5. und 6. November 2021 in Wiesbaden schlug die DDG Alarm. Schätzungen beziffern die Anzahl der Betroffenen im Jahr 2040 auf 12 Millionen Menschen. Doch heute sind bereits die Versorgungssituation und die Kosten Anlass für Diskussionen.

Ein Experte, der sich der Versorgungssituation widmet, ist Christoph Anrich. Der Geschäftsführer von Previlance – agiles Gesundheitsmanagement ist Sportwissenschaftler mit Schwerpunkt Sportmedizin, Prävention und Rehabilitation. Auf 30 Jahre Berufserfahrung blickt der Theologe, Gesundheitsmanager und Experte für Bewegungstherapie bei Diabetes mellitus mit den Begleit- und Folgeerkrankungen zurück. TT-DIGI sprach mit ihm über sein Ausbildungsangebot.

TT-DIGI: Hallo Christoph, Du hast den IHK-Zertifikatslehrgang „Fachsporttherapeut Diabetes mellitus IHK“ initiiert und konzipiert. Wie kamst Du auf diese Idee?

Christoph Anrich: Es kamen immer mehr Personen mit Diabetes und Begleiterkrankungen zu mir und suchten Rat. Für diese Personengruppen musste ich geeignete Bewegungsmöglichkeiten definieren, denn die klassischen Empfehlungen im Bereich der Sportmedizin sind bei Diabetikern häufig nicht umsetzbar.

TT-DIGI: Was ist bei Diabetikern anders?

Christoph Anrich: Die Frage ist, was kann ein Diabetiker mit welcher Problematik überhaupt sinnvoll trainieren. Hierbei müssen metabolische Prozesse und der Energiehaushalt besonders beachtet werden. Vielen fehlt das Verständnis für die gestörten Energiegewinnungsprozesse im Körper eines Diabetikers oder das Wissen über die inflammatorischen Prozesse, die ablaufen. Die Trainingsbelastung kann nur unter dem richtigen Setting funktionieren. Das ist auch der Grund, weshalb eine große Anzahl der Patienten das Bewegungstraining wieder abbrechen.

TT-DIGI: War das Dein Ansatz?

Christoph Anrich: Ja, denn im Leitfaden Prävention von 2018 ist Diabetes mellitus zwar ein eigenes Handlungsfeld, aber es gibt keine Hinweise, wie die konkrete Bewegungstherapie gelingen kann. Deswegen erhalten Diabetiker meist „nur“ Ernährungshinweise und werden medikamentös versorgt. Die Chancen der angemessenen Bewegung werden bisher nicht genutzt. Meine Motivation ist es, sinnvolle Maßnahmen in der Bewegungstherapie zu etablieren unter Berücksichtigung der Sinnhaftigkeit, Zielorientierung und Zweckmäßigkeit – und das lernt man bei mir.

TT-DIGI: Was kann ein ausgebildeter Fachsporttherapeut Diabetes mellitus IHK Besonderes anbieten?

Christoph Anrich: Er setzt die Bewegungstherapie in einem stimmigen Setting um. Das sind effektive Maßnahmen im Bereich Ausdauer, Kraft, HIIT, Vestibularmotorik bzw. Koordination und Beweglichkeit. Zudem weiß eine fortgebildete Fachkraft, wie man Diabetiker begleitet, damit die wünschenswerten Ziele erreicht werden können. Hilfreich ist eine individuelle und sinnorientierte Zielerreichungsskala, verhaltenstherapeutische Kenntnisse, damit die Anleitung pädagogisch gelingt. Diabetiker sind relativ häufig Bewegungsmuffel. Der Fachsporttherapeut Diabetes mellitus IHK kennt die Ängste und Probleme der Patienten und kann sie bewegungstherapeutisch optimal begleiten, stellt ihnen ein auf sie abgestimmtes Bewegungsangebot zusammen. Die Effizienz der einzelnen Maßnahmen lernt man in diesem Zertifikatslehrgang. Fachsporttherapeuten Diabetes mellitus IHK wissen, welche kleinschrittigen Module die Bewegungstherapie Schritt für Schritt verbessern und was dabei zu beachten ist.

TT-DIGI: Kannst Du das erläutern?

Christoph Anrich: Es geht um die individuelle Trainierbarkeit in der Therapie. Wir müssen uns von der Sportmedizin, wie sie gelehrt wird, lösen, denn sie passt nicht bei Diabetikern. Nicht die Übungen stehen im Vordergrund, sondern das Ziel, dem Patienten Sicherheit zu geben, ihn trotz seiner Ängste zu ermutigen, sich zu bewegen. Es bringt nichts, ein Training von der Stange zu machen, wenn der Diabetiker nicht dazu in der Lage ist. Das macht keinen Sinn.

TT-DIGI: Wie sieht Dein Konzept aus?

Christoph Anrich: In der Einzeltherapie oder in Dreiergruppen sowie in Kursen werden die Übungen trainiert, die die gewünschten Effekte erzielen. Sinnvoll ist ein Setting von körperlichen Aktivitäten sowie Entspannungsmethoden, die ideal zu den Krankheitssymptomen des Patienten passen. Dann sind kurative Prozesse wahrscheinlich und Remissionen sogar möglich. Auf jeden Fall verbessert sich durch die richtige Bewegungstherapie spürbar die subjektive Lebensqualität der betroffenen Personen und damit für Diabetiker die Partizipation am Leben. Diese Menschen brauchen Hoffnung und Ermutigung, dass ihr Leben nicht als chronologische Katastrophierung abläuft.

TT-DIGI: Wer kann die Ausbildung ablegen?

Christoph Anrich: Die Zielgruppe sind vor allem Physiotherapeuten, aber auch Ergotherapeuten, Reha-Trainer, Fachkräfte im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM), Fitnesstrainer mit dem Schwerpunkt „Gesundheit“ und alle Experten, die sich im Bereich Diabetes mellitus engagieren. Je nach den Vorerfahrungen der Teilnehmer setze ich unterschiedliche Schwerpunkte. Physiotherapeuten gewinnen zum Beispiel Einblick in die medizinische Trainingslehre mit konkreten Tipps für die therapeutische Praxis. Fitnesstrainer und Reha-Trainer erhalten das notwendige Grundlagenwissen, was Diabetes mellitus und die Begleiterkrankungen exakt bedeuten und wie sich die Stadien der Krankheitsbilder auf die Trainierbarkeit auswirken.

TT-DIGI: Weshalb läuft das über die IHK?

Christoph Anrich: Der Leitfaden Prävention verlangt von den Fachkräften eine berufliche Grundqualifikation und die rechtlich notwendige Zusatzqualifikation. Dann kann man z.B. mit Krankenkassen zusammenarbeiten, sich in der Rehabilitation einbringen und im BGM nach EStG § 3 Nr. 34 die Leistungen mit 600 Euro je Mitarbeiter jedes Jahr steuerlich geltend machen. Die formaljuristische Voraussetzung ist die vorhandene Qualifikation. Die Vorgaben des Leitfadens für Prävention sind im Curriculum des Zertifikatslehrgangs „Fachsporttherapeut Diabetes mellitus IHK“ berücksichtigt. Die IHK stellt die rechtlich anerkannten Zertifikate aus, die beruflich notwendig sind.

TT-DIGI: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Reinhild Karasek.

››› Fachsporttherapeut Diabetes mellitus IHK Zertifikatslehrgang der IHK Reutlingen 


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