Digitalisierung

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07.07.2023

Wie der Beruf des Fitnesstrainers in Zukunft aussehen könnte

Wie der Beruf des Fitnesstrainers in Zukunft aussehen könnte

Andreas M. Bechler

Die Digitalisierung macht vor keiner Branche und keiner Berufsgruppe halt. Somit wird sie natürlich auch die Kerndienstleistung der Fitnessindustrie verändern, die Arbeit des Fitnesstrainers in der direkten Interaktion mit dem Kunden. Aber wie könnte Technik den Alltag unserer Trainer in Zukunft verändern? Welche Dinge werden wegfallen und was wird wichtiger werden? Ich versuche mich in diesem Artikel an einem Blick in die Glaskugel.

Um die Veränderungen im Beruf des Fitnesstrainers nachvollziehen zu können, sollten wir uns zuerst fragen, welche Tätigkeiten potenziell obsolet werden könnten.

1. Trainingsplanerstellung

Trainingspläne sind heute bereits häufiger in einem gewissen Rahmen standardisiert. Fitnessstudios verfügen über (elektronische) Zirkel, in welchen die Mitglieder trainieren. Fitnessstudios verfügen über einen begrenzten Gerätepark, der die Übungsauswahl einschränkt. Fitnesstrainer haben ihre Philosophien, die das Training in einen gewissen Rahmen packen. Alle diese Punkte standardisieren das Training schon mal in einem gewissen Rahmen. Ein wirkliches hochindividuelles Trainingssetting ist in einem breitenorientierten Fitnessstudio nur selten möglich.

Gleichzeitig können Dienste wie ChatGPT bereits heute wirklich gute Pläne entwerfen, welche (meiner Meinung nach) mit dem Niveau der klassischen B-Lizenz-Fitnesstrainer definitiv mithalten können. Diese Programme werden immer besser, so dass kurz- bis mittelfristig in Sachen Trainingsplanerstellung sicherlich auch ein A-Lizenz-Niveau erwartbar ist. Wozu also noch eine Trainingsplanerstellung durch einen Fitnesstrainer, wenn ich auf einer viel umfangreicheren Datenbasis einen Trainingsplan bei Bereitstellung der nötigen Parameter binnen Sekunden erstellen kann?

2. Trainingssteigerung

Ein Thema, welches in unseren Studios schon immer etwas stiefmütterlich behandelt wurde, ist das Thema der Belastungssteuerung. Sind wir mal ehrlich, wie viele Mitglieder trainieren wirklich so, wie wir es Sinne der progressiven Belastungssteigerung mal gelernt haben. Ich wage die nicht quantifizierbare These, dass es nicht die Mehrheit ist. Hier hat das Betreuungskonzept es in der Regel den Mitgliedern überlassen, selbstständig eine Steigerung vorzunehmen, was die wenigsten wirklich machen. Wenn es gut läuft, wird vielleicht noch durch einen Trainertermin und neuen Übungen ein neuer Reiz gesetzt. In der Summe dürfte dies aber sicherlich einer der optimierungsbedürftigsten Bereiche in unserer Betreuung sein.

Hier kann die Technik Abhilfe schaffen. Ich sehe durchaus die Möglichkeit, dass ein Gerät über regelmäßige Krafttests, die Bewegungsausführung und das (subjektive) Belastungsempfinden eine Anpassung des Trainingswiderstands vornehmen kann. Mir selbst sind erste Lösungen bekannt, an welchen beispielsweise EGYM (Stichwort: Gameday) arbeitet. 

3. Trainingsüberwachung

Ein Nachteil vieler Fitnessstudios ist sicherlich der Betreuungsschlüssel. Auf einen Fitnesstrainer kommt speziell in den Rushhour-Zeiten eine Vielzahl an Trainierenden. Dass hier keine persönliche Betreuung möglich ist, auch wenn es Anbieter gerne so bewerben, dürfte eigentlich jedem klar sein. Dem Trainer ist hier auch gar kein Vorwurf zu machen. Das Studiosetting macht es im breitenorientierten Training schlicht nicht möglich. Selbst in Kursformaten, in denen ein Trainer dauerhaft dabei ist, kann nicht jede Person ständig bzgl. der individuellen Ausführung beobachtet werden.

Auch hier bieten sich technische Hilfsmittel an. Im geringen Umfang wird dies bereits durch Konzepte wie von EGYM oder milon angeboten, welche zumindest die Geschwindigkeit und Bewegungsamplitude des Trainierenden kontrollieren und ihm bzw. ihr grafisch darstellen. Man könnte aber natürlich auch noch eine Stufe weiterdenken und ein Programm entwerfen, welches z.B. über die Smartphone-Kamera (oder auch eine andere Hardware) den Trainierenden ständig überprüfen kann, inwiefern die Ausführung korrekt ist. Man könnte sogar so weit gehen, dass die Ergebnisse wiederum in die Belastungssteuerung aus (2) wieder einfließen könnten.

Innerhalb der Fitnessbranche sind allerdings bereits heute erste umfangreichere Lösungen vorhanden. Der Fitness-Spiegel von VAHA beispielsweise bzw. deren B2B-Pendant Pixformance gehen diesen Weg, dass das Training des Trainierenden per Kamera überwacht und notfalls korrigiert wird. Es lohnt sich hierbei definitiv die weitere Entwicklung zu verfolgen.

In welchem Zeitraum ist mit einer Tätigkeitsübernahme in der Breite zu rechnen?

Wie man sieht, könnte die Technik durchaus einige Tätigkeiten übernehmen, die aktuell zu den Kernkompetenzen des Fitnesstrainers gehören. Aber von welchem Zeitraum reden wir hier und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit? Meine Meinung dazu habe ich in der grafischen Darstellung illustriert.

Lass mich auch kurz ein paar Worte dazu verlieren. Zu (1) - Trainingsplanung - sei gesagt, dass wir hier bereits erste Lösungen haben (insbesondere ChatGPT), die schon recht gut funktionieren. Die "Denkweise" dieser Tools ist identisch zu der des Menschen. Informationen (z.B. Anforderungen und Voraussetzungen des Kunden) werden aufgenommen, mit vorhandenem Wissen (Übungskataloge, sportmedizinische Literatur etc.) kombiniert und zu einem Output (z.B. einem passenden Trainingsplan) veredelt. Hier muss man dementsprechend tatsächlich sagen, dass der Siegeszug dieser Technik wohl bereits kurzfristig in den Fitnessstudios Einzug halten wird.

Zu (2) - Trainingssteuerung - habe ich bereits angemerkt, dass es innerhalb des Sportbereichs bereits erste entsprechende Tools gibt und auch insbesondere EGYM auf der FIBO2023 ein Tool vorgestellt hat, welches nun in einigen Probestudios "trainiert" werden soll. Ich bin mir relativ sicher, dass einige Anbieter nachziehen werden. Allerdings braucht dies noch etwas Zeit, da in diesem Punkt über die Anforderungen aus (1) hinausgegangen werden muss. Es benötigt nicht nur ein Tool, welches Wissen zu einem adäquaten Output kombiniert, sondern auch einen individuell lernenden Algorithmus, der das jeweilige Individuum versteht. Dementsprechend erwarte ich hier eine mittelfristige Umsetzung mit einer mittleren Wahrscheinlichkeit.

Der Punkt (3) - Trainingsüberwachung - wäre zwar auf einer Entwicklungsebene nach meiner Meinung schneller umsetzbar als (2), allerdings hat es einen stark einschränkenden Faktor. Während ich die beiden anderen Punkte relativ einfach auf vorhandenen Geräten (Fitnessgeräte, Smartphones etc.) abbilden könnte, ist Punkt (3) an eine adäquate Hardware gebunden. Bei meinen Gesprächen im Vorfeld zu diesem Artikel wurde dies in der Regel als nur schwierig mit aktueller technischer Ausstattung umsetzbar benannt. Bei dieser Argumentation kann ich mitgehen und gehe daher von einer eher langfristigen Etablierung mit einer vergleichsweise geringen Wahrscheinlichkeit aus.

Was bedeutet dies für den Beruf des Fitnesstrainers?

Du siehst, dass ich doch einige aktuell fundamentale Tätigkeiten des Trainers in Zukunft nicht mehr auf seiner Tätigkeitenliste sehe. Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass sein Job ausstirbt. Der Job wird andere Schwerpunkte in Zukunft setzen, welche vom Fitnesstrainer der Zukunft primär zwei zentrale Fähigkeiten erfordern.

(A) Fokus auf die Social Skills

Wenn die Technik immer mehr Arbeit fachlicher Natur abnimmt, muss ein Trainer sich auf die Tätigkeiten ausführen, die eine Technik, zumindest meiner Meinung nach, nicht adäquat ausführen kann. Hier ist ganz klar die soziale Interaktion zwischen Trainer und Trainierendem zu nennen. Der Plan kann noch so gut erstellt sein, die Belastung noch so perfekt dosiert und die Übung bis ins kleinste Detail korrekt ausgeführt, wenn es dem Trainierenden keine Freude bereitet, wird er oder sie schnell demotiviert sein. Hier kommt ein Trainer mit seiner / ihrer Persönlichkeit und den jeweiligen sozialen Fähigkeiten ins Spiel. Diese sowieso schon extrem wichtigen Fähigkeiten des Trainers werden durch die zunehmende Technisierung nur noch einen weiteren Schub bekommen. 

(B) Technisches Verständnis zur Interpretation der Ergebnisse nötig

Wenn der Trainer nicht mehr selber für die Ergebnisse bestimmter Betreuungsprozesse verantwortlich ist, dann muss er zumindest in der Lage sein, die durch die Maschine generierten Ergebnisse zu interpretieren, damit er deren Wert für den Kunden einschätzen kann. Hierfür benötigt er ein entsprechendes Verständnis, wie diese technischen Hilfsmittel funktionieren. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Fitnesstrainer der Zukunft ohne ein technisches Knowhow nicht mehr auskommen wird.

Zu einer guten Interpretation der Ergebnisse der technischen Tools gehört aber natürlich weiterhin eine fundierte trainingswissenschaftliche und sport-medizinische Ausbildung. Dies bleibt trotz aller zuvor genannten Veränderungen die Basis des Fähigkeitensets jedes guten Fitnesstrainers. Ohne diese wird es auch in Zukunft nicht gehen.

Fazit

Der Jobs des Fitnesstrainers wird sich verändern, davon bin ich felsenfest überzeugt. Fitnesstrainer mit guten Social Skills und Verständnis für die Ergebnisse, welche die technischen Tools ausspucken, werden wichtiger. Der klassische Floortrainer, der einfach nur Trainingspläne schreibt und die Neumitglieder einweist, wird zunehmend verschwinden. Ob man das gut oder schlecht findet, darf jeder selbst entscheiden. Ich bin aber überzeugt, dass es so kommen wird.

Andreas M. Bechler

Der Autor hat den Artikel mit weiteren Infos und Links bei LinkedIn veröffentlicht und freut sich dort über Feedback.


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