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Therapie
16.02.2023
Welche Erwartungen haben Sie 2023 für die Branche?
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Physiotherapie: Meinungsumfrage
Die Therapiebranche ist im Umbruch. Welche Aspekte stehen 2023 im Vordergrund? TT-DIGI ging dieser Frage nach.
Was wird dieses Jahr auf den Messen diskutiert werden? Was kann man hier beobachten? Verena Friedrich, Managerin Messe und Eventleitung bei der Messe Stuttgart, zeigt auf, dass es nicht die Krisenthemen sind, welche die Branche umtreiben, sondern:
„Personalmangel, Digitalisierung und fortschreitende Ökonomisierung – die Gesundheitsbranche sieht sich nach dem Pandemiegeschehen mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert. Entsprechend groß ist das Bedürfnis vieler TherapeutInnen und anderer DienstleisterInnen der Branche, sich über aktuelle Trends zu informieren und neue Ideen zu sammeln. Der Zuspruch der AusstellerInnen und BesucherInnen auf der TheraPro hat dies unterstrichen – die Messe Stuttgart war und ist ein wichtiger Anlaufpunkt für die Branche.“
Berufspolitische Themen erregen die Gemüter. Das zeigten auch die Diskussionen auf der TheraPro in Stuttgart. Ute Repschläger, Vorstandsvorsitzende des IFK:
„2023 wird für die Physiotherapie ein aufregendes Jahr. Denn die Bundesregierung hat angekündigt, ein Modellprojekt zum Direktzugang auf den Weg zu bringen. Mit dem sogenannten „Versorgungsgesetz II“ soll dafür eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Zudem erwarten wir in den kommenden Monaten aus dem BMG einen konkreten Entwurf für ein neues Berufsgesetz für Physiotherapeuten, das auch die Ausbildung reformieren soll. Wir setzen uns dafür ein, dass dies auch die Akademisierung unseres Berufs beinhaltet.“
Gebührenerhöhungen, Blankoverordnung und Akademisierung stellt Andrea Rädlein, Vorsitzende von PHYSIO-DEUTSCHLAND, in den Vordergrund:
„Der Schiedsspruch Ende 2022 und die deutlichen Gebührenerhöhungen waren ein richtiges Signal für 2023. Ich erwarte, dass wir die Verhandlungen zur Blankoverordnung mit dem GKV-Spitzenverband mit einem tragfähigen Konzept abschließen. Berufspolitisch ist die Modernisierung der Ausbildung wichtig. Hier zielen wir auf einen Referentenentwurf ab, der die Therapieberufe zukunftsfähig macht. Dabei geht es um die hochschulische Ausbildung und die Weiterentwicklung der physiotherapeutischen Versorgung von morgen. Auch die Krankenhausreform liegt uns sehr am Herzen. Denn: Physiotherapie muss stärker als bislang in der stationären Versorgung abgebildet und finanziert werden.“
Hans Ortmann vom VPT hat uns sehr ausführlich geantwortet. Im Folgenden lesen Sie sein ungekürrztes Statement:
"Hier erwarte ich mir ein möglichst nahtloses Anknüpfen an die erfreulichen Erfolge aus dem letzten Jahr, die trotz der belasteten Allgemeinumstände wie Corona-Beeinträchtigungen, Ukraine-Krieg und der Herausforderungen durch den Klimawandel erfolgt sind.
So hoffe ich auf einen baldigen Abschluss der Verhandlungen zur Blankoverordnung mit den Krankenkassen und den Start zur regelhaften bundesweiten Anwendung.
Ebenso fordern wir bei den Kassen einen zeitnahen Abschluss für die Überarbeitung der besonderen Maßnahmen in der Physiotherapie/Zertifikatsleistungen. Hier streben wir Neuregelungen nach kompetenzorientierten Kriterien und eine deutliche zeitliche Umfangreduzierung gekoppelt mit der Übernahme von Lerninhalten in die Berufs-Basisausbildung an.
Natürlich bedarf es auch der zügigen Ausbildungsreform für die physiotherapeutischen Berufe, um die Tätigkeitsprofile der zunehmend komplexer werdenden Krankheitsbilder abzubilden. Dies gilt für den Beruf des Physiotherapeuten, ebenso für den „Medizinischen Massagetherapeuten“, wie wir den Masseur und med. Bademeister künftig benennen wollen. Dabei muss der Ausbildungsweg durchlässig gestaltet werden, damit sich junge Menschen mit mittleren Schulabschlüssen über den Weg des Medizinischen Massagetherapeuten zum Physiotherapeuten weiterqualifizieren können. Jeder, der Interesse hat einen Therapieberuf zu erlernen, muss das auch in Zukunft können. Und für die bisherigen fachschulisch ausgebildeten Therapeuten muss es einen Bestandsschutz geben. Insgesamt brauchen wir jedoch deutlich mehr akademisierte Physiotherapeuten als es derzeit der Fall ist. Die physiotherapeutischen Berufe müssen attraktiver werden und die Patientenversorgung muss patientengerechter und evidenzbasierter werden, wie sie es derzeit sind. Das geht aber nur, wenn es Evidenz gibt. Das bedeutet, es muss mehr Forschung und Studien geben. Die gibt es nur dort, wo es auch eine akademische Ausbildung gibt. Ohne akademische Ausbildung gibt es keine Wissenschaft, keine Studien, keine evidenzbasierte Fortentwicklung der bestehenden Konzepte. Denklogisch brauchen wir also diese Weiterentwicklung, denn bisher ist erst wenig evidenzbasiert gesichert in der gesamten Physiotherapie. Wir benötigen jedoch diese Absicherung dringend für die Zukunft.
Ein weiter dringender Bereich ist das Voranbringen der interprofessionellen Zusammenarbeit. Hierfür braucht es praktikable und geschützte Kommunikationswege und einen klaren Ordnungsrahmen der Arbeitsbedingungen. Wir freuen uns schon lange auf einen konstruktiven und patientenorientierten Austausch und ein Zusammenwirken mit den weiteren Gesundheitsberufen auf Augenhöhe. Hoffentlich kommen wir auf diesem Weg mit der elektronischen Patientenakte und der digitalen Verordnung dem Ziel der fehlerfreien Heilmittelverordnung näher.
Auch hoffe ich auf konkrete Umsetzungsschritte für Modellvorhaben zum Direktzugang, damit der Patient einen Therapeuten auch ohne vorherigen Arztkontakt aufsuchen kann. Mit dem Versorgungsgesetz II könnte noch in diesem Jahr die dafür nötige Grundlage geschaffen werden.
Abschließend hoffe ich auf die weitere Stärkung des SHV, um unsere Heilmittelbranche noch mehr zu bündeln und mit nochmals gestärkter Stimme der Ansprechpartner im BMG und für die Politik zu sein. Gesundheitsminister Lauterbach hat uns genau hierfür die Bestätigung beim SHV-Therapiegipfel Ende November 2022 in Berlin ausgesprochen: „Wir sind in einem guten Miteinander – danke für Ihre gute Arbeit“. Diese Empfehlung des Gesundheitsministers und die damit verbundene Chance sollten wir für unsere HM-Branche erkennen und sinnvoll nutzen. Die gesamte Rede des Gesundheitsministers ist auf der SHV-Homepage unter Therapiegipfel 2022 jederzeit nochmal abrufbar.
In diesem Sinne sehe ich positiv ins neue Jahr, und nach einem Blick in meinen Terminplan bin ich zuversichtlich, dass wir tatsächlich zeitnah weitere positive Veränderungen erreichen. Unser Gesundheitswesen und die Patienten können davon eine Menge profitieren."
Reinhild Karasek
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Training
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