Digitalisierung

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25.11.2024

Was können Neuro-Apps?

Was können Neuro-Apps?

Digitale Unterstützung für neurozentriertes Training

Die Digitalisierung hält in der Sport- und Rehabilitationswelt immer mehr Einzug, für fast alles gibt es Apps. So auch für die Unterstützung oder Umsetzung von neurozentriertem Training. Diese sind eine wertvolle Ergänzung für Trainer und Therapeuten, beispielsweise bei der Verbesserung der Bewegungssteuerung oder der Wahrnehmung. Im Folgenden stellt Andreas Könings fünf Neuro-Apps vor, die in der Praxis ganz unterschiedlich eingesetzt werden können.

Für Schmerzpatienten: Recognize

Die Recognize App ist speziell für Schmerzpatienten interessant. Sie wurde entwickelt, um die Funktion des Thalamus zu testen und zu aktivieren. Beim Thalamus handelt es sich um einem zentralen Schaltknoten im Gehirn, der unter anderem für die Filterung und Verarbeitung sensorischer Informationen verantwortlich ist und an der Schmerzwahrnehmung beteiligt ist. Bei Recognize gibt es Versionen für verschiedene Körperteile, wie Hände, Füße oder Schultern, je nach Schmerzlokalisation.

Die Aufgabe App besteht darin, die Fähigkeit des Nutzers zu testen, schnell und korrekt zwischen linken und rechten Körperteilen zu unterscheiden. In der Praxis bedeutet das, dass die App Bilder von Händen, Füßen oder anderen Körperteilen in unterschiedlichen Positionen zeigt, und der Nutzer innerhalb eines individuell festgelegten Zeitraums entscheiden muss, um welche Seite es sich handelt. Diese Übung mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, doch für Menschen mit einem beeinträchtigten Thalamus, wie es oft bei chronischen Schmerzpatienten der Fall ist, ist dies eine Herausforderung.

Die regelmäßige Nutzung der App kann zur Aktivierung und Stärkung des Thalamus beitragen und die neuronale Verarbeitung verbessern, was insbesondere bei Patienten mit chronischen Schmerzen zu einer Linderung der Symptome führen kann.

Im Takt bleiben: Metronom

Das Metronom ist wahrscheinlich vielen aus dem Musikunterricht bekannt, wo es einen bestimmten Takt oder Rhythmus vorgibt. Genau das macht auch diese App. Die Metronom App ist in vielen verschiedenen Varianten verfügbar, wobei die einfache, kostenfreie Version für den Einstieg ausreicht.

Im neurozentrierten Training kann das Metronom besonders beim Erlernen neuer Bewegungen von großem Nutzen sein, da es hilft, Bewegungen rhythmischer und flüssiger auszuführen. Mit Hilfe des Metronoms kann nicht nur der Bewegungsrhythmus getestet werden, sondern auch die Basalganglien, der Hirnstamm und das Kleinhirn aktivieren werden, die alle eine zentrale Rolle in der Bewegungsplanung und -koordination spielen. Besonders bei Menschen mit motorischen oder koordinativen Schwierigkeiten kann Rhythmusarbeit erhebliche Verbesserungen bringen. Darüber hinaus kann sich der Einsatz von Takt auch bei Schmerzpatienten als äußerst nützlich erweisen. Insgesamt handelt es sich um eine einfache, aber wirkungsvolle Methode, um den Bewegungsablauf zu verbessern und gleichzeitig neuronale Strukturen zu stärken.

Für visuelles Training: Focus Builder

Eine umfangreiche Anwendung, die sich besonders für das visuelle Training eignet, ist der Focus Builder. Diese App bietet eine Vielzahl von Übungen, die auf die Verbesserung der Augenbewegungen, der peripheren Sicht und der visuellen Verarbeitung abzielen. Sie ermöglicht es, verschiedene visuelle Trainingsszenarien zu erstellen, die individuell an die Bedürfnisse des Nutzers angepasst werden können. Dabei reicht die Spannbreite der Übungen von einfachen Blicksprungübungen, bei denen die Augen schnell zwischen verschiedenen Punkten hin- und herwechseln müssen, bis hin zu komplexeren Aufgaben, die das periphere Sehen und die Reaktionsfähigkeit schulen.

Der Focus Builder ist nicht nur für Trainer und Therapeuten nützlich, die mit Athleten arbeiten, um die visuelle Leistungsfähigkeit zu verbessern, was sich direkt auf die sportliche Leistung auswirken kann, sondern auch im Reha-Bereich, da das Training des visuellen Systems sich positiv auf die Bewegungssteuerung und das Schmerz - empfinden auswirkt. Bisher ist die App leider nur für iOS-Geräte verfügbar und auch mit einem höheren Preis verbunden ist. Dennoch bietet sie ein umfassendes visuelles Trainingsprogramm, das in dieser Form kaum von anderen Apps erreicht wird.

Kognitiver Ansatz: Stroop Test

Die Stroop Test App ist eine Anwendung, die besonders im kognitiven Training zum Einsatz kommt. Der Stroop Test basiert auf einem bekannten Experiment, bei dem Farbwörter in einer nicht übereinstimmenden Farbe dargestellt werden, und der Nutzer die Farbe, in der das Wort geschrieben ist, benennen muss – nicht das Wort selbst. Diese Übung fordert das Gehirn heraus, irrelevante Informationen zu unterdrücken und die korrekte Reaktion zu finden, was die Fähigkeit zur Impulskontrolle und zur Verarbeitung widersprüchlicher Informationen stärkt. Hierbei ist insbesondere der Frontallappen involviert und aktiv.

Im Training mit Klienten kann der Stroop Test dazu bei - tragen, die kognitive Flexibilität und das Reaktionsvermögen zu verbessern, insbesondere in stressigen oder ablenkungsreichen Situationen. Die Einsatzgebiete reichen von Problemen bei der Impulsunterdrückung bis hin zu Hilfe bei der Entscheidungsfindung und sind auch für Klienten mit neurodegenerativen Erkrankungen äußerst wertvoll. Es gibt mehrere Apps, die den Stoop Test in unterschiedlichen Varianten abbilden. Die regelmäßige Nutzung kann die kognitive Belastbarkeit der Klienten steigern und bietet gleichzeitig eine unterhaltsame und heraus - fordernde Möglichkeit, das Gehirn auf Trab zu halten.

Der Alleskönner: Neurally App

Eine Art „all in one“ App im neurozentrierten Training ist Neurally von Artzt. Neurally vereint eine Vielzahl von neurozentrierten Trainingsmethoden und bietet in der kostenpflichtigen Version eine umfangreiche Plattform für Trainer und Therapeuten, um spezifische neuronale Prozesse gezielt anzusprechen. Sie eignet sich für die Anwendung in der Rehabilitation, im Leistungssport sowie im präventiven Bereich.

Neurally beinhaltet Anwendungen zum Training des visuellen Systems wie verschiedene Vision Charts, Übungen für Sakkaden oder Augenfolgebewegungen oder auch das Training des optokinetischen Reflexes zur Ansteuerung der einzelnen Gehirnhälften. Ein Tone-Generator bietet in Verbindung mit Knochenschallkopfhörern eine sehr gute Möglichkeit der vestibulären Aktivierung. Zusätzlich finden sich Übungen für Koordinations- oder Atemtraining sowie ein Metronom und Stroop Test. Für einzelne Bereiche besteht die Möglichkeit, sich individuelle und zufällige Trainingspläne generieren zu lassen. Dies ist sogar bereits in der kostenfreien Version möglich.

Die Neurally App beinhaltet damit viele Funktionen von bereits vorher genannten Apps, jedoch nicht so vielseitig und detailliert, wie die speziellen Apps. Neben den vorgestellten Apps gibt es noch weitere Anwendungen, die im neurozentrierten Training Einsatz finden können. Jede App hat ihre Stärken und Einsatz - gebiete, von der Schmerzbewältigung über das kognitive Training bis hin zur visuellen und vestibulären Aktivierung. Durch die Integration dieser Apps in Training und Therapie können Klienten effektiv und zielgerichtet behandelt werden und haben darüber hinaus die Möglichkeit, das Training einfach und selbstständig durchzuführen.

Andreas Könings

 


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