
Training
22.07.2024
Use your Brain!

Gehirnfitness
Der Grundsatz „Use it or lose it!“ gilt nicht nur für Muskeln – auch die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns verschlechtert sich, wenn dieses nicht trainiert wird. Im Interview mit Jennifer Josl verraten die beiden Gehirnfitness-Trainer Christine Späth und Stephan Müller, wie man die Leistungsfähigkeit des Gehirns trainieren kann und wie sich ein solches Training in Gruppenkursen sowie PT-Stunden attraktiv einbauen lässt.
Jennifer Josl: Wie kann man sich ein Fitnesstraining für das Gehirn vorstellen? Welche Art von Training/Übungen wird dort eingesetzt?
Stephan Müller: Um das Gehirn zu fordern und zu fördern, ist es wichtig, im Alltag sowie im Sport zwischendurch auch mal raus aus der Gewohnheit zu kommen und nicht immer das Gleiche zu machen. Um das Gehirn optimal zu trainieren, sollte man eine Sportart beziehungsweise ein Training wählen, das einem Spaß macht und einen immer wieder neu herausfordert. Sehr gut geeignet sind koordinativ anspruchsvolle Sportarten wie zum Beispiel Klettern und Tanzen. Ebenfalls förderlich ist das Erlernen neuer Choreografien, Abläufe und Bewegungen.
Welche Benefits hat diese Art von Training für die Teilnehmer?
Stephan Müller: Ein Gehirnfitness-Training hilft, im Alltag gelassener zu sein und auch in stressigen Situationen die wichtigsten Informationen immer noch optimal abrufen zu können. Zusätzlich hilft es dabei, sich besser konzentrieren zu können und die Leistungsfähigkeit zu erhöhen.
Für welche Zielgruppen eignet sich ein Gehirnfitness-Training?
Christine Späth: Ein Gehirnfitness-Training ist bei allen Altersstufen wirksam. So profitieren beispiels weise schon Säuglinge davon, wenn die Eltern bestimmte Überkreuzbewegungen mit ihnen durch führen. Besonders interessant ist das Training auch für sehr gestresste Personen sowie für ältere Menschen, um die Leistungsfähigkeit des Gehirns auch im Alter aufrechtzuerhalten.
Welches Equipment braucht man dafür?
Christine Späth: Für das Gehirnfitness-Training wird überhaupt kein Equipment benötigt. Zum Beispiel können viele Überkreuz- oder Sprungvarianten ganz ohne Material umgesetzt werden. Um etwas Abwechslung in die Einheiten zu bekommen, können bei Bedarf Tücher, Seile, Bälle oder auch Augen klappen mit eingebaut werden.
Habt ihr Tipps zur praktischen Organisation, Durchführung und Vermarktung von Gehirnfitness-Angeboten im Fitness-Studio?
Stephan Müller: Solche Übungen können optimal bei vielen Gruppenkursen, im Training oder auch Personal Training als Warm-up-Ideen eingebaut werden, um die Kunden mit dem Thema in Berührung zu bringen. Auf dieses aufbauend können dann mit der Zeit spezielle Gehirnfitness-Kurse als Extra-Angebot im Fitness-Studio für die Kunden in den Plan mit aufgenommen werden. Eine Kooperation mit Schulen, Kindergärten oder Senioreneinrichtungen kann die Kursräume zu Zeiten auslasten, in denen im Studio keine Kurse stattfinden, vielleicht mittags oder am frühen Nachmittag. Wir haben oftmals für Kindergärten oder Schulen solche zusätzlich bezahlten Angebote als 10er-Kurse für zum Beispiel 100 bis 120 Euro pro Person angeboten und führen diese dann bei Anwesenheit von mindestens acht Teilnehmern durch. Das entspricht einer Einnahme von 100 bis 150 Euro pro Stunde.
Zur Theorie: Wie lässt sich das Wachstum neuer Neuronen im zentralen Nervensystem anregen?
Christine Späth: Früher hielt man die Neurogenese, also das Wachsen neuer Neuronen im zentralen Nervensystem, für unmöglich. In der Hirnforschung gilt es mittlerweile jedoch als sicher, dass Tag für Tag im Hippocampus eines Erwachsenen einige Tausend Nervenzellen neu entstehen. Der Hippocampus ist kaum größer als ein Knopf und dennoch kann diese Hirnregion Erstaunliches. Denn im Hippocampus werden unsere Erinnerungen aus dem Kurzzeitins Langzeitgedächtnis übertragen. Es wird angenommen, dass eine Zu- oder Abnahme der Zellneubildung in dieser Region verantwortlich ist für die Fähigkeit, Neues zu lernen.
Dabei scheinen die neuen Nervenzellen nur dann zu funktionstüchtigen Neuronen heranzuwachsen, wenn man Lernreize und körperliche Betätigung miteinander kombiniert. Bleiben Anregungen aus, geht ein Teil der neuen Nervenzellen wieder zugrunde. Verschiedene Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Neubildung von Nervenzellen eine entscheidende Bedeutung für das Lernen zukommt. Forscher verschiedener Universitäten fanden heraus, dass neue Nervenzellen leichter zu erregen sind als alte. Durch die Produktion neuer Nervenzellen, die zu funktionstüchtigen Neuronen heranreifen, können neue Lerninhalte also besser gespeichert werden. Die Voraussetzung für ein leistungsfähiges Gehirn bis ins hohe Alter ist, dass es uns gelingt, Routinen zu besiegen und die Motivation zur Aktivität und zum Lernen zu erhalten. Nur das Lernen von etwas Neuem hält uns geistig jung und vital.
Wie beeinflussen Hormone das Gehirn?
Stephan Müller: Hormone sind jene Stoffe in unserem Körper, die für die Regulierung von Körperfunktionen sorgen. Von herausragender Bedeutung ist hierbei das Cortisol. Zum einen deswegen, weil es unser Immunsystem reguliert, zum anderen, weil es uns ebenfalls in Stresssituationen leistungsfähiger macht. Was passiert aber bei Dauerstress, also der Form von Stress, die von uns als bedrohlich erlebt wird und die wir nicht in den Griff bekommen? Dann erbringt unser Immunsystem nicht mehr seine optimale Leistung, was die Anfälligkeit für Krankheiten erhöht, und unser Körper läuft dauerhaft auf schädlichen Hochtouren. Außerdem schädigt Cortisol den oben genannten Hippocampus mit der Folge, dass die Betroffenen ängstlicher sind und langfristig sogar depressiv werden können. Heutzutage weiß man vor allem von der Wirkung eines anderen Hormons, dem Oxytocin. Oxytocin ist der Gegenspieler des Cortisols. Dies bedeutet, dass ein guter Teil der schädlichen Wirkungen des Cortisols durch Oxytocin neutralisiert wird. Dieses Hormon entsteht immer dann, wenn wir uns in angenehmer und freudvoller Gesellschaft befinden und uns zum Beispiel Bewegungsformen Spaß und Freude bereiten, wie bei der Neurofitness. Zu den vielen positiven Effekten des Oxytocins zählt insbesondere, dass es einen beruhigenden Einfluss auf die Amygdala ausübt, was wiederum bewirkt, dass der Mensch gelassener und angemessener auf angstauslösende Situationen reagiert. Genau hier kann die Integration von sinnvollen Bewegungen, Freude und Spaß einen deutlichen Mehrwert bringen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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