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19.09.2022

Mit EMS die Pfunde purzeln lassen

Mit EMS die Pfunde purzeln lassen

Elektrische Muskelstimulation zur Gewichtsreduktion

Immer mehr Menschen sind übergewichtig. Und so ist es nur logisch, dass die Gewichtsreduktion beim Training eines der primären Ziele ist. Auch EMS-Training kann diesen Ansatz unterstützen. Der EMSExperte Jens Vatter gibt dazu konkrete Hinweise.

Schlank, schön und erfolgreich – so tönt es uns aus den Medien tagtäglich entgegen.  Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Laut den offiziellen Statistiken (u.a. Nationale Verzehrsstudie 2008) sind zwei Drittel der Deutschen übergewichtig (BMI > 25), jeder Fünfte zwischen 14 und 80 Jahren sogar adipös (BMI > 30).

Übergewicht & Adipositas

In den letzten 10 Jahren stieg der Anteil der übergewichtigen Männer in Deutschland um fast 30%, der Anteil übergewichtiger Frauen um knapp 5%! Der Bevölkerungsanteil mit stark erhöhtem Bauchumfang (> 88cm bei Frauen, > 102cm bei Männern) steigt im Altersgang beträchtlich – von gerade mal 15% bei jungen Erwachsenen auf etwa 80% bei älteren Personen!

Formen – festigen – abnehmen: für viele stehen diese Begriffe ganz oben auf der Wunschliste. Vier von fünf Deutschen würden laut eigener Aussage gerne Pfunde verlieren, Muskeln aufbauen und ihre Problemzonen reduzieren, wie Studien der Deutschen Sporthochschule Köln belegen (Zarotis et al. 2004). Immer neue Diät- und Abnehm-Programme mit vollmundigen Versprechen schießen wie Pilze aus dem Boden, um doch wieder nur am Jojo-Effekt zu scheitern. Bewegungsmangel und Alltagsstress tun ihr übriges. Das Ergebnis: Schlaffe Muskeln, Hüftspeck, Resignation und Kapitulation statt schönen Körpern und Lebensqualität. Als Schuldiger wird gerne ein „schlechter Stoffwechsel“ angeführt.

Wie funktioniert unser Stoffwechsel?

Mit „Stoffwechsel“ (Metabolismus) werden alle physikalischen und biochemischen Prozesse beschrieben, die in unserem Organismus ablaufen. Das sind z.B. die Umwandlung der aufgenommenen Nahrungsmittel, die Bildung von körpereigenen Strukturen, Enzymen und Hormonen, das Wachstum und der Abbau von Knochen, Muskeln und anderen Geweben sowie viele mehr. Wir können den Stoffwechsel also in Abbauvorgänge (Katabolismus) und Aufbauprozesse (Anabolismus) unterscheiden. Die Zunahme von magerer Muskelmasse durch Krafttraining stellt einen anabolen Prozess dar, der Energie benötigt. Beim Abbau z.B. von Muskelglykogen zu Glukose wird dagegen Energie gewonnen, die dann wieder den Energiebedarf anderer Prozesse decken kann. Der Stoffwechsel befindet sich also in einem ständigen Wandel – kurz gesagt: Stoffwechsel ist Leben!

Der Energiebedarf, die Summe aller Stoffwechselprozesse, besteht grundsätzlich aus drei Anteilen: dem Energieumsatz in Ruhe (Grundumsatz), nach Nahrungsaufnahme sowie unter körperlicher Belastung. Ziel eines erfolgreichen Abnehm-Programms sollte letzten Endes sein, ein Kaloriendefizit zu erzeugen, also mehr Energie zu verbrennen als aufzunehmen. Während die Aufnahme kurzfristig über die Ernährung sicherlich den größeren Hebel liefert, um ein Defizit zu erzeugen, spielt langfristig der Energieumsatz in Ruhe die entscheidende Rolle, Gewicht und Körperfett niedrig zu halten.

Mehr Grundumsatz mit mehr Muskeln

Es scheint also einen Ausweg aus dem Dilemma zu geben: unsere Muskeln! Die Muskulatur gilt als der Dauerbrenner unseres Körpers. Vereinfacht ausgedrückt: Je mehr Muskelmasse vorhanden ist, desto größer ist der Grundumsatz, desto mehr Kalorien werden verbrannt und desto leichter können das Körpergewicht reguliert und die Figur geformt werden. Von der Muskulatur gehen zahlreiche Signale und Botenstoffe aus, die den Stoffwechsel nachhaltig beeinflussen (Thielicke 2008). So fördern etwa die Botenstoffe Interleukin-6 und Interleukin-15 den Muskelglykogen-Stoffwechsel. Die Blutglukose (Blutzucker) wird effektiver aus dem Blut in den Muskel geschleust, was unabdingbar zur Regulierung des Energieumsatzes ist - besonders wenn der Stoffwechsel durch viele Crash-Diäten bereits aus den Fugen geraten scheint!

Muskeln sorgen dauerhaft für einen erhöhten Grundumsatz und verbrauchen rund um die Uhr Energie. Bereits 500g mehr Muskelmasse verbraucht am Tag schon mehr als 50 kcal mehr Energie als die gleiche Menge Fett. Der Erhalt der Muskelmasse ist daher beim Abnehmen von entscheidender Bedeutung. Da Muskeln allerdings schwerer sind als Fettgewebe, kommt es zunächst nur zu einem geringeren Gewichtsverlust als bei reinen Diäten, bei denen etwa zur Hälfte auch Muskelmasse abgebaut wird. Daher ist nicht entscheidend, was der Zeiger auf der Waage sagt, sondern was tatsächlich im Körper passiert. Der dauerhafte Vorteil ist der erhöhte Grundumsatz – verbunden mit dem beim Training erhöhten Leistungsumsatz (auch Arbeitsumsatz genannt) sorgt eine gut austrainierte Muskulatur für eine fühl- und sichtbare Umstrukturierung des Körpers, die sich auch langfristig lohnt.

Das Erfolgsrezept für gezielte Gewichts- und Fettreduktion ist muskuläres Training; damit soll überschüssiges Körperfett abgebaut, Muskulatur aufgebaut und der Stoffwechsel nachhaltig positiv beeinflusst werden.

Alle großen Muskelgruppen gefordert

Während bei allgemeinen Ausdauer- und Krafttrainings die erforderlichen Reize und Intensitäten eher selten erreicht werden, sind bei einem Ganzkörpertraining mit Elektrostimulation alle großen Muskelgruppen zeitgleich in hoher Intensität gefordert, was dann den unliebsamen Fettpölsterchen an Taille, Hüfte und Po zu Leibe rücken soll. Der Kompressionseffekt der eingesetzten Gurt- und Westenelektroden soll zudem die Durchblutung und den Abtransport von Stoffwechselprodukten unterstützen.

Die Studienlage zu GK-EMS-Effekten

Regelmäßig durchgeführtes Ganzkörpertraining mit Elektrostimulation bietet eine hervorragende Alternative insbesondere zu klassischen, anspruchsvolleren Gewichtstrainings bei Körperformungs- und Kraftzielen, wie Untersuchungen und Studien der Universitäten Bayreuth und Erlangen-Nürnberg eindrucksvoll belegen (Boeckh-Behrens et al. 2002-2006, Kemmler et al. 2008–2022). Der Körperfettanteil verringerte sich um bis zu 4%; Frauen reduzierten hauptsächlich Taillen- und Hüftumfänge, Männer den Bauchumfang. Übergewichtige und Senioren profitierten überdurchschnittlich von der EMS-Intervention.

Allerdings zeichnet eine aktuelle Meta-Analyse ein eher uneinheitliches Bild (Kemmler et al. 2022): Während das EMS-Training in Bezug auf Kraftzuwächse und auch auf den Aufbau von Muskulatur im Sinne einer „Lean Body Mass“ (LBM) signifikant positive Ergebnisse hervorbrachte, auf Augenhöhe mit anspruchsvolleren Kraft-Trainingsmethoden (u.a. Kemmler et al. 2016), zeigten sich bei Fett- und Gewichtsreduktion keine eindeutigen Effekte.

Während einige Studien deutliche Gewichts- und Fettverluste, gerade im gesundheitsrelevanten Abdominalbereich, und sogar im Sinne eines „Spot Reducings“ an typischen Problemzonen verzeichneten, konnten andere Studien Muskel- und Kraftzuwächsen zum Trotz keine Abnehmeffekte gegenüber Kontrollgruppen erzielen. Problematisch erscheint hier jedoch die hohe Streuung bei Parametern und Methodik, sowie der Zielstellung. Fettund Gewichtsveränderungen wurden quasi als „Beifang“ mitgemessen, eine speziell an Abnehmeffekten orientierte Studie mit EMS liegt derzeit nicht vor. Nicht zu vergessen: Den größten Hebel lieferten auch hier Ernährungs-spezifische Interventionen!

Wie soll trainiert werden?

Bei genauerem Hinsehen lassen sich Faktoren identifizieren, die den Abnehmerfolg bei EMS unterstützen können. So wirkt ein Ganzkörper-EMS-Training über drei Wege:

1) Akuter EMS-Effekt: Höhere Rekrutierung der (schnellen) Muskelfasern und hohe Stoffwechselrate

2) Kurzfristiger Regenerations- und Adaptationseffekt: erhöhter Energieverbrauch in Ruhe

3) Langfristiger EMS-Effekt: Erhöhung des metabolischen Ruheumsatzes. Um langfristige Erfolge zu erzielen, sollte also 1– 2 x pro Woche über einen längeren Zeitraum regelmäßig trainiert werden. Je nach Erholungsfähigkeit sollten bis zu 4 Tage Pause zwischen den Trainingseinheiten zur Regeneration und für einen gesunden Muskelaufbau eingehalten werden.

Seltenere Trainingsreize scheinen weniger gute Fortschritte zu bringen, erlauben dafür höhere Intensitäten. Mehr als 2 Einheiten pro Woche können jedoch über einen längeren Zeitraum hinweg zu Übertraining, Leistungsabfall und erhöhter Infektanfälligkeit führen.

Die richtige Intensität

Zu Beginn jeder Trainingseinheit sollte mit einem zweiminütigen Einregeln, sozusagen als Warm-Up für die zu beanspruchenden Muskelpartien, begonnen werden in einer leichten Kniebeugeposition mit parallelen, leicht gebeugten Beinen, geradem Rücken und auf Brusthöhe seitlich gehaltenen und gebeugten Armen (ähnlich eines angedeuteten Bizepscurls).

Empfehlungen der University of Wisconsin (Porcari 2005) zufolge sind für signifikante Ergebnisse 60% der MVC (maximale willkürliche Kontraktionsfähigkeit) nötig.

Um größtmögliche Erfolge zu erzielen, sollte daher eine hohe Intensität gewählt werden – auf der 10-stufigen BORG-Skala entspricht dies dem Wert „7 – 8“ („schwer“). Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Trainingsintensität und Körperformung: Je höher die gewählte Intensität, desto mehr Muskelzuwachs und desto stärkerer Fettabbau! Die maximale Intensität orientiert sich an der individuellen Schwelle, wie weit die Kontraktionen noch durch Eigenanspannung kontrolliert werden können; unwillkürliche Bewegungen, insbesondere unbewusste Gelenkstreckungen sind in jedem Fall zu vermeiden.

Das Trainingsprogramm

Zum Training speziell zur Figurformung empfiehlt sich ein aus mehreren Programmen aufgebautes Belastungsformat mit einem Impuls/Pause-Rhythmus von jeweils 4 Sekunden, bei einer Frequenz von 85 Hertz und 350 Mikrosekunden Breite. Wichtig: Die Intensität ist so hoch zu wählen, dass die anzusprechende Muskulatur sichtbar kontrahiert! Am besten zunächst die Beinintensität einstellen. In den Oberschenkeln soll dabei eine deutlich spür- und sichtbare Muskelkontraktion stattfinden!

Im Anschluss an das Aufbautraining oder als separate Einheit kann ein spezielles Muskelausdauer-Programm erfolgen mit 7 Hertz und Dauerimpuls. Dieses Programm verbessert die Stoffwechseleigenschaften der Muskulatur und zielt eher auf die langsam zuckenden Muskelfasern ab. Als Übungen empfehlen sich kontrolliert ausgeführte dynamische Bewegungen, ähnlich einem Kraftausdauertraining mit eigenem Körpergewicht. Die kurzen Schüttelimpulse im ständigen Wechsel von Spannung und Entspannung bewirken eine stark verbesserte Durchblutung der Muskeln und des umliegenden Gewebes. Kapillare werden neu gebildet und der mitochondriale Stoffwechsel positiv beeinflusst, was wiederum zu einer besseren Muskelversorgung mit Nährstoffen und damit zu schnellerem Aufbau magerer Muskelmasse bei gleichzeitiger Fettverbrennung beiträgt.

Entspannung & Periodisierung

Im Anschluss an die Belastung kann eine kurze, fünfminütige Entspannungseinheit genutzt werden, um weitere Trainingsschritte mit dem Kunden zu besprechen oder Feedback einzuholen. Die Muskelregeneration verbessert sich und der Körper erholt sich bei einem entspannenden Cool-Down. Eine komplette Trainingseinheit mit Kraft-, Ausdauer- und Entspannungstraining dauert damit inklusive An- und Ablegen der Elektroden etwa 20 Minuten. Im weiteren Verlauf ist das Training immer wieder anzupassen. Ich verweise an dieser Stelle auf die allgemeinen Trainings- und Belastungsprinzipien, die auch sonst für Kraft- und Ausdauertraining in der Sport- und Trainingswissenschaft Verwendung finden.

Hinweis: Die hier beschriebenen Inhalte und Ausführungen stellen lediglich Handlungsempfehlungen dar und sollten nach zeitlichem Rahmen, Intensität und Übungsschwierigkeit an die aktuelle Leistungsfähigkeit des Kunden angepasst werden. Für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Informationen wird keine Haftung übernommen. Die Inhalte stellen insbesondere keine individuelle Auskunft oder Beratung dar. Bei Fragen empfehle ich, den behandelnden Arzt zu konsultieren.

Jens Vatter

Bild: © Shutterstock.com_1655751559_Kzenon


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