Digitalisierung
04.09.2025
Mehr als 150 Fachkräfte aus 20 Ländern
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Erfolgreiche Integration ausländischer Fachkräfte bei der Contilia
Absolventen der Anerkennungskurse für Physiotherapeut*innen und Ergotherapeut*innen
In der Physiotherapie ist der Fachkräftemangel allgegenwärtig. Immer öfter geht daher der Blick bei Verantwortlichen größerer Praxen oder Gesundheitszentren ins Ausland. Auch Michael Lehmann, GF Contilia Therapie und Reha GmbH hat sich vor knapp vier Jahren für diesen Weg entschieden. Er berichtet über seine Erfahrungen und hält den Ansatz unter gewissen Rahmenbedingungen für sehr erfolgversprechend.
Als in Essen beheimateter Gesundheitskonzern bildet Contilia ein breites Leistungsspektrum ab, das über Krankenhaus und Pflege hinausgeht. Der Ansatz ist, den Menschen hier möglichst alle notwendigen Leistungen in einem Konstrukt und aus einer Hand liefern zu können. Daher werden auch die Bereiche Reha und Therapie bedient, die Nachfrage ist (gerade bei den älteren Menschen) hoch.
Fachkräftemangel und die Folgen
Im Rückblick erinnert sich Michael an einen Zustand der „täglichen Mangelverwaltung“. Aufgrund eines Systemfehlers, der selbstfinanzierten Ausbildung in Kombination mit einer unterdurchschnittlichen Vergütung, habe es jahrelang zu wenig Menschen in den Beruf des Physiotherapeuten gezogen. Darunter litten dann auch die Patienten, da zum Teil Rezepte nicht abgearbeitet werden konnten. So seien alte Menschen, die nicht mehr mobil waren, besonders betroffen gewesen.
Der neue Ansatz
Da klassische Stellenausschreibungen und auch Kooperationen mit Physioschulen nur einen limitierten Erfolg brachten, führte dann ein Zufall zu der Entwicklung eines ganz neuen Ansatzes.
Michael berichtet von der Bewerbung einer Tunesierin, die sich 2021 auf eine Stellenausschreibung beworben hatte. Er überwand seine anfängliche Skepsis und tauschte sich dazu mit Kollegen aus der Pflege aus, die den Ansatz fast zeitgleich ebenfalls ausprobierten. Nach einigen Wochen intensiver Recherche hatte Michael eine Idee, wie es funktionieren könnte.
Recherche, Fleiß und Geduld
Die größte Herausforderung in der Anfangszeit waren die erforderlichen Organisationsschritte, um aus einer ausländischen Fachkraft eine in Deutschland verfügbare Mitarbeiterin zu machen. Seitens der Bewerber müssen diese neben dem Abschluss ein Deutsch-Niveau von B1 mitbringen.
Mit den erforderlichen Dokumenten wird dann ein Antrag auf Anerkennung gestellt. Im Rahmen dieses Prozesses erhält der/die Bewerber/in dann einen Defizitbescheid. Dieser listet vereinfacht gesagt die Differenz der Ausbildung im Vergleich zu den Standards in Deutschland auf. Erst wenn diese aufgeholt wurden, erhält die Fachkraft die vollständige Anerkennung. Die praktischen Inhalte werden in der Einrichtung vermittelt, für die Theorie braucht es Unterricht in einer Schule.
Auch wenn es sich um das „beschleunigte Fachkräfteverfahren“ handelt, kann der Zeitraum bis zur erfolgreichen Visum-Ausstellung aufgrund unterschiedlicher Faktoren unterschiedlich lang sein. Bis zu 18 Monate habe es in einigen Fällen gedauert.
Lehrgänge werden finanziell gefördert
Um die Arbeitskräfte „fit“ für den Einsatz in Deutschland zu machen, wurde mit dem Mibeg-Institut in Köln ein geeigneter Kooperationspartner gefunden. Die hier stattfindenden Anpassungslehrgänge werden von der Bundesagentur für Arbeit als Fördermaßnahmen komplett finanziert. Zudem wird auch ein Teil der Lohnkosten von der Behörde übernommen.
„Neben der aufwendigen Organisation entstehen dabei vertretbare Kosten. Und auch die Bewerber müssen im Gegensatz zu anderen Modellen nichts bezahlen“, erklärt Michael.
Der erste Onboarding-Prozess
Als die erste ausländische Fachkraft damals nach Deutschland reiste, habe man den Onboarding-Prozess erstmals durchgeführt und sich um eine möblierte Wohnung, den Transfer und weitere Dinge wie Krankenversicherung etc. gekümmert – und viel gelernt. Danach sei es mehr oder weniger ein Selbstläufer gewesen, berichtet Michael. Über einen Kollegen aus Bosnien-Herzegowina wurde der Balkan erschlossen. Bald kamen auch der arabische Raum, die Türkei, der Iran und weitere Länder wie Südkorea hinzu.
150 Fachkräfte folgten dem guten Ruf
Wichtig waren jeweils positive Erfahrungen von Fachkräften, die diese anschließend in den sozialen Netzwerken teilten. So entstand dann durch diese Empfehlungen in recht kurzer Zeit ein stetiger Nachschub an Bewerbungen. Der Mix aus schneller Unterstützung und einem guten Onboarding sorgte für einen guten Ruf.
Nach knapp vier Jahren konnten auf diese Weise knapp 150 Physiotherapeuten aus 20 Ländern gewonnen werden bzw. befinden sich im Prozess, zur Contilia zu kommen. Im Lauf der Zeit wurden auch zahlreiche ausländische Arbeitskräfte in den Bereichen Ergotherapie und Pflege an Bord genommen. Hier zeigte sich eine weitere Herausforderung, denn in einigen Ländern gibt es beispielsweise die Ausbildung zum Ergotherapeuten nicht.
Integrationsfaktoren
Bei den vielen neuen Mitarbeitern beobachtet Michael eine starke Motivation und Leistungsbereitschaft. In Ländern wie zum Beispiel Marokko gäbe es eine hohe Arbeitslosigkeit und eine damit verbundene Perspektivlosigkeit. Der Schritt in ein fremdes Land falle womöglich erst einmal schwer, ermögliche aber später die finanzielle Unterstützung der eigenen Familie in der Heimat. Die „neue Familie“ seien dann die Arbeitskollegen. Für eine erfolgreiche Integration seien soziale Beziehungen der Schlüssel. Hier könne man etwas anschieben, beispielsweise auch durch Mentoren.
"Mit den neuen Fachkräften haben wir fast durchgehend gute Erfahrungen gemacht. Die Menschen haben in ihren Ländern ein Studium absolviert, bringen z.T. langjährige Berufserfahrung mit und müssen bzw. mussten sich eher an das Leben in Deutschland gewöhnen“, bilanziert Michael. Da könne man als Arbeitgeber sicherlich Hilfe leisten, im Endeffekt seien aber die Menschen selbst gefragt. „Viele der neuen Fachkräfte sind sehr neugierig und mögen beispielsweise Städtetrips“. Mit dem Umzug nach Deutschland entwickelten sich die Sprachkenntnisse auch noch einmal deutlich weiter.
Neuer Bereich im Konzern
Bis auf wenige Ausnahmen hat Michael sich mit seinem Team selbst um die einzelnen Prozesse zur Gewinnung der ausländischen Fachkräfte gekümmert. Mit der Zeit bildeten sich Routinen. Dennoch wurden die Arbeitsumfänge zu groß. Seit 2024 gibt es bei Contilia einen eigenen Bereich, der sich um die Eingliederung von ausländischen Fachkräften kümmert.
Seit dem vergangenen Jahr steht dazu auch ein eigener Anpassungskurs zur Verfügung, der die Arbeitskräfte optimal auf ihre neue Stelle vorbereitet. Zum einen gibt es Unterschiede aus inhaltlich-fachlicher Sicht, aber auch die fremde Kultur ist eine Herausforderung.
„Haben es geschafft!“
Dank der neuen Mitarbeiter konnte Contilia den Bereich Physiotherapie & Reha ausbauen. Dazu wurden und werden in der Regel Räumlichkeiten in bestehenden Immobilien genutzt. Das Angebot kann anschließend von der Stammkundschaft sowie weiteren Patienten aus dem Umkreis genutzt werden. Michael berichtet, 2021 sei man gewissermaßen ein Pionier in diesem Bereich gewesen, nun höre er immer öfter, dass ähnliche Wege auf der Suche nach Fachkräften gegangen werden. Inzwischen habe man eine gewisse „Sättigung“ erreicht und das frühere Problem erfolgreich gelöst. Der Blick geht inzwischen auch Richtung Ergotherapie und Logopädie.
Fazit: Rahmenbedingungen entscheidend
Trotz seiner Rolle als Pionier ist sich Michael bewusst, dass das Modell nicht auf jede Physiotherapiepraxis übertragbar ist. Zunächst einmal müsse man sich intensiv in das komplexe Thema einarbeiten. Für die erfolgreiche Umsetzung seien zudem eine gewisse Größe und Personaleinsatz notwendig. Der Zugang zu anderen Ländern sei beispielsweise durch ausländische Mitarbeiter möglich. Insbesondere der Start mit der Implementierung der Prozesse und des Onboardings sei eine große Herausforderung. Finanziell wiederum halte sich der Aufwand ohne Vermittlungsfirmen in Grenzen.
Philipp Hambloch
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