Digitalisierung

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29.06.2023

Manuelle Medizin virtuell erlernen

Manuelle Medizin virtuell erlernen

Forschungsprojekt SmartHands

Über eine Datenbrille können Übungen aus der Manuellen Therapie an einem Avatar oder alternativ einer realen Person trainiert werden. Dabei sehen Nutzer die Handgriffe direkt vor sich und legen ihre Finger über die eingeblendeten Hände.

Direkt am Patienten eine Behandlung zu üben, ist eine der wichtigsten Phasen in der Ausbildung angehender Physiotherapeuten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Forschungsprojekt „SmartHands“. In ihm analysieren Wissenschaftler, wie sich manuelle Therapieeinheiten virtuell simulieren lassen.

In der Manuellen Medizin sind Physiotherapeuten wie Mediziner auf ihre Hände angewiesen. Sie erfühlen den Körper von Patienten, um Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen zu lindern. Hier setzt das vom BMBF geförderte Projekt „SmartHands“ an: Mithilfe virtueller Trainingsanwendungen sollen angehende Physiotherapeuten und Mediziner in der manualtherapeutischen Ausbildung zunächst ohne echte Patienten üben können.

Auszubildende und Studierende trainieren mit Datenbrillen in virtuellen Räumen, bevor sie erstmals real behandeln. Das theoretische Wissen vermittelt eine Online-Lernplattform. Die Ausbilder bereiten auf einer webbasierten Lehr- und Lernplattform virtuelle Trainingseinheiten vor und stellen E-Learnings zum Selbststudium der Theorie bereit.

Am Universitätsklinikum Halle wurde im vergangenen Sommersemester das SmartHands-System erstmals getestet: In den Seminaren des Wahlpflichtkursfachs Manuelle Medizin kam eine Mixed-Reality-Brille zum Einsatz, mit der Studierende Behandlungsabläufe virtuell trainieren konnten. Die angehenden Mediziner hatten außerdem Zugriff auf eine Online-Lernplattform und konnten selbstständig E-Learnings absolvieren.

Online-Plattform unterstützt selbstgesteuertes Lernen

Für Dr. Katja Regenspurger, Dozentin am Universitätsklinikum Halle, war es das erste Mal, dass sie sechs Teilnehmern des Wahlpflichtfachs manuelle Medizin das theoretische Wissen zur manuellen Medizin über E-Learnings auf einer Online-Lernplattform vermittelte.

„Dass ich die Theorie in den Präsenzterminen schon voraussetzen konnte, empfand ich als sehr hilfreich. So blieb im Unterricht mehr Zeit für Übungen und Rückfragen. Die Studierenden konnten mit mir konkrete Fragen diskutieren und in den Seminaren insgesamt viel praxisbezogener arbeiten“, erläutert die Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin.

Um die Theorie vom Präsenzkurs auf die Online-Lernplattform zu transportieren, ergänzten interaktive Elemente und Videos die PowerPointFolien, die die Medizinerin sonst im Seminar einsetzt.

Das umfassende theoretische Fachwissen konnten die Studierenden somit eigenständig und entsprechend ihrer zeitlichen Ressourcen komplett digital erlernen, ohne klassische Präsenzvorträge. Online-Tests nach jeder Einheit kontrollierten den Wissensstand und zeigten den Lernenden, ob sie bestimmte Lerninhalte wiederholen sollten.

Fokus im Präsenz-Unterricht auf praktischen Übungen

Bei den Präsenzterminen lag der Fokus auf den praktischen Übungen, wobei erstmals eine Mixed-RealityBrille zum Einsatz kam: Einmal aufgesetzt, erscheint ein virtuelles Menü und der Nutzer kann auswählen, welche Behandlung er üben möchte.

Trainiert wird mithilfe einer Schrittfür-Schritt-Anleitung entweder komplett virtuell an einem Avatar, der als Hologramm in die Lernumgebung projiziert wird, oder an einer realen Person.

Entscheidet sich der Anwender für den Avatar, kann er diesen auch in einer Muskel- oder Skelettansicht betrachten. Der Trainierende sieht beim Üben mit der Datenbrille dann die richtigen Handgriffe und Auflagepunkte der zuvor ausgewählten Behandlung.

Über die Nutzung des SmartHandsSystems im Rahmen des Wahlpflichtfachs Manuelle Medizin wollten die am Verbundprojekt Beteiligten evaluieren, wie sich die digitale Unterstützung in der Praxis bewährt und welchen Mehrwert sie bietet. „Das Üben mit der Datenbrille fanden alle Kurs-Teilnehmenden sehr hilfreich“, berichtet Regenspurger. Die Dozentin selbst sieht im Üben mit der Mixed-Reality-Brille vor allem den Vorteil, dass Lernende den – realen oder digitalen – Patienten direkt vor sich sehen: „In praktischen Übungen ohne digitale Hilfsmittel müssen Studentinnen und Studenten von der Seite auf den Patienten schauen, während die Dozenten die Handgriffe erklärten. Dank der Datenbrille konnten sie nun direkt aus ihrer eigenen Perspektive lernen und ihre Finger einfach über die virtuell eingeblendeten Hände legen.“

Wissen zeit- und ortsunabhängig vertiefen

„Die Verknüpfung von Onlinelernen und Präsenz-Unterricht könnte zukünftig wichtiger Bestandteil in der physiotherapeutischen und manualtherapeutischen Ausbildung sein“, sagt Christian Wachter, Vorstand der imc AG, einer von sechs Partnern des Verbundprojektes.

Vom sogenannten Blended Learning würden nicht nur die Lernenden seiner Meinung nach profitieren, sondern auch die Verantwortlichen in der Aus- und Weiterbildung würden entlastet werden.

Zum Abschluss des Kurses sollten die Teilnehmenden beurteilen, wie sich der Einsatz von Datenbrille und Lernmanagementsystem auf ihren Lernerfolg ausgewirkt hat. Alle schätzten den Effekt der digitalen Unterstützung als sehr hoch ein, zeigt die Auswertung der Feedbackbogen.

Dass es über die Online-Lernplattform jederzeit möglich war, Lerninhalte zu wiederholen – etwa vor Klausuren – empfanden die Studierenden als äußerst hilfreich. Das Üben mit der Mixed-Reality-Brille habe nicht nur Spaß gemacht, sondern das Trainieren am realen Patienten wesentlich erleichtert.

Jens Gieseler



Bilder: Tobias Lange, Medizinische Fakultät Universitätsklinikum Halle, imc AG


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