
Digitalisierung
17.02.2025
Hürden überwinden, Chancen nutzen

Digitale Zwischenbilanz
Die Fitness- und Therapiebranche befindet sich in unterschiedlichen Phasen der Digitalisierung, wobei sowohl Fortschritte als auch Hemmnisse zu verzeichnen sind. Sanjay Sauldie wirft ein knappes Jahr vor der Einführung der Telematik infrastruktur (TI) für Heilmittelerbringer in der Physiotherapie einen Blick auf den aktuellen Stand.
Stand der Digitalisierung in der Fitnessbranche
Die Fitnessbranche hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte in der Digitalisierung erzielt. Viele Fitness-Studios und -ketten setzen digitale Lösungen ein, um ihren Kunden ein verbessertes Trainingserlebnis zu bieten. Dazu gehören Online-Buchungssysteme für Kurse, On-Demand-Trainingseinheiten, digitale Kundenservices wie Chatbots, Gamification-Elemente zur Steigerung der Motivation und smarte Studio-Ausstattungen, die ein effektives Training in Echtzeit ermöglichen. Die COVID-19-Pandemie hat diesen Trend beschleunigt, da viele Menschen auf digitale Fitnessangebote angewiesen waren. Dennoch gibt es innerhalb der Branche Unterschiede: Während einige Anbieter bereits umfassend digitalisiert sind, zögern andere noch, diese Technologien vollständig zu integrieren.
Stand der Digitalisierung in der Therapiebranche
In der Therapiebranche, insbesondere bei Physiotherapeuten, verläuft die Digitalisierung langsamer. Ein zentrales Element ist hier die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI), die einen sicheren Austausch medizinischer Daten ermöglicht. Obwohl die freiwillige Anbindung seit Juli 2021 möglich ist, haben bisher nur wenige Praxen diesen Schritt unternommen. Ab dem 1. Januar 2026 wird die Anbindung jedoch verpflichtend sein, weshalb empfohlen wird, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen und die notwendigen Schritte zur Digitalisierung der Praxisabläufe einzuleiten.
Potenzial und Unterschiede zwischen den Branchen
Die Fitnessbranche nutzt digitale Technologien vor allem zur Verbesserung des Kundenerlebnisses und zur Effizienzsteigerung. Hier liegt weiteres Potenzial in der stärkeren Personalisierung von Trainingsplänen durch Künstliche Intelligenz (KI) und in der Integration von Wearables zur Datenanalyse. In der Therapiebranche bietet die Digitalisierung Chancen für eine verbesserte Patientenversorgung durch den Zugriff auf elektronische Patientenakten und eine effizientere Praxisorganisation. Allerdings sind hier die Datenschutzanforderungen höher, und die Integration in bestehende Arbeitsabläufe gestaltet sich komplexer.
Hemmende Faktoren der Digitalisierung
Mehrere Faktoren bremsen die Digitalisierung in beiden Branchen:
- ❯❯❯ Kosten: Die Anschaffung und Implementierung digitaler Systeme erfordert Investitionen, die insbesondere für kleinere Anbieter eine Hürde darstellen.
- ❯❯❯ Komplexität der Implementierung: Die Integration neuer Technologien in bestehende Strukturen kann aufwändig sein und erfordert oft spezifisches Knowhow.
- ❯❯❯ Datenschutzbedenken: Der Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten erfordert strenge Sicherheitsmaßnahmen, was den Einsatz digitaler Lösungen erschwert.
- ❯❯❯ Mangelnde Akzeptanz: Sowohl bei Mitarbeitern als auch bei Kunden kann Skepsis gegenüber neuen Technologien bestehen, was die Einführung erschwert.
Fazit: Hemmnisse angehen, Akzeptanz fördern
Die Digitalisierung bietet sowohl der Fitness- als auch der Therapiebranche erhebliche Chancen zur Verbesserung von Dienstleistungen und Effizienz. Während die Fitnessbranche bereits bedeutende Fortschritte gemacht hat, besteht in der Therapiebranche noch erheblicher Nachholbedarf, speziell im Hinblick auf die Anbindung an die Telematikinfrastruktur. Es ist wichtig, bestehende Hemmnisse anzugehen und die Akzeptanz für digitale Lösungen zu fördern, um das volle Potenzial der Digitalisierung auszuschöpfen.
Sanjay Sauldie
Der Autor ist Keynote-Speaker und Motivator und beschäftigt sich mit den Auswirkungen digitaler Transformation auf unterschiedliche Industriezweige. Der Digitalisierungsexperte ist Kooperations-Partner von TT-DIGI und Mitglied des TT-DIGITAL-Marketing-Teams. E-Mail: sauldie@gmail.com.
Aktionsplan: Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Therapiebranche
Aktuelle Herausforderungen wie Fachkräftemangel, steigende Bürokratieanforderungen und die Notwendigkeit einer flächendeckenden Patientenversorgung machen den Einsatz moderner Technologien unerlässlich. Dieser Aktionsplan zeigt, wie KI gezielt in der Therapiebranche eingesetzt werden kann, um diese Ziele zu erreichen.
1. Status Quo analysieren und Potenziale identifizieren (KI-Strategie Schritt 3: Big Data und Smart Data)
Herausforderungen:
- Fachkräftemangel: Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden sind stark ausgelastet, und es fehlt an Nachwuchs.
- Bürokratie: Die Dokumentationspflichten in der Therapiebranche nehmen zu und binden wertvolle Zeit.
- Uneinheitliche Digitalisierung: Viele Praxen arbeiten noch mit Papierakten oder Insellösungen ohne zentrale Datenplattform.
Potenziale:
- KI-gestützte Datenanalyse: KI kann Muster in Patientendaten erkennen, um personalisierte Therapiepläne zu entwickeln.
- Automatisierung von Routineaufgaben: Dokumentation, Terminplanung und Abrechnungen können durch KI-Systeme effizienter gestaltet werden.
- Teletherapie und virtuelle Betreuung: KI ermöglicht die Betreuung von Patienten in ländlichen Regionen oder bei eingeschränkter Mobilität.
2. Einsatzfelder von KI in der Therapiebranche
2.1. Automatisierte Dokumentation
- Beschreibung: KI-Systeme können während oder nach einer Therapiesitzung automatisch Berichte erstellen und strukturieren.
- Beispiel: Eine Sprachtherapeutin nutzt eine KI-gestützte Spracherkennung, die den Therapieverlauf automatisch dokumentiert.
- Vorteile:
○ Reduzierung der Dokumentationszeit.
○ Weniger Fehler durch standardisierte Berichterstellung.
2.2. Bewegungsanalyse und -korrektur
- Beschreibung: KI-basierte Systeme können Bewegungen der Patienten in Echtzeit analysieren und Feedback geben.
- Beispiel: Ein Patient führt zu Hause Übungen durch, während eine App mithilfe von Computer Vision Haltung und Bewegungen überwacht und korrigiert.
- Vorteile:
○ Verbesserte Therapieergebnisse durch kontinuierliches Feedback.
○ Erleichterung für Patienten, die nicht regelmäßig die Praxis besuchen können.
2.3. Personalisierte Therapiepläne
- Beschreibung: KI analysiert Patientendaten, Krankheitsverläufe und Therapieerfolge, um maßgeschneiderte Therapiepläne zu erstellen.
- Beispiel: Eine Ergotherapiepraxis nutzt KI, um auf Basis von Verlaufsdaten die Übungen für Patienten mit Schlaganfall anzupassen.
- Vorteile:
○ Höhere Effektivität der Therapie.
○ Anpassung an den individuellen Fortschritt des Patienten.
2.4. Teletherapie und virtuelle Sitzungen
- Beschreibung: KI unterstützt Teletherapie durch Bewegungsüberwachung, Fortschrittsanalysen und virtuelle Assistenten.
- Beispiel: Ein Physiotherapeut nutzt eine KI-gestützte Plattform, die Übungen online anleitet und den Fortschritt automatisch erfasst.
- Vorteile:
○ Flächendeckende Versorgung, auch in unterversorgten Regionen.
○ Höhere Flexibilität für Patienten und Therapeuten.
2.5. Patientenkommunikation und Nachsorge
- Beschreibung: Chatbots und virtuelle Assistenten können Fragen beantworten, Nachsorgepläne erstellen und Patienten motivieren.
- Beispiel: Eine Praxis implementiert einen KI-Chatbot, der Patienten an ihre Übungen erinnert und Fragen beantwortet.
- Vorteile:
○ Entlastung des Fachpersonals.
○ Bessere Therapieadhärenz durch regelmäßige Kommunikation.
2.6. Prävention und Früherkennung
- Beschreibung: KI kann durch die Analyse großer Datenmengen Risikofaktoren erkennen und Präventionsmaßnahmen vorschlagen.
- Beispiel: Eine Software erkennt durch die Analyse von Bewegungsprofilen frühzeitig potenzielle Sturzrisiken bei älteren Patienten.
- Vorteile:
○ Vermeidung schwerwiegender Folgeerkrankungen.
○ Kostenreduktion durch präventive Maßnahmen.
3. Kulturelle und organisatorische Herausforderungen bewältigen (KI-Strategie Schritt 4: Kulturelle Auswirkung)
3.1. Widerstände gegen Technologie abbauen
- Problem: Viele Therapeuten befürchten, dass KI ihre Arbeit ersetzt oder Datenschutzprobleme entstehen könnten.
- Maßnahmen:
○ Informationskampagnen über die unterstützende Rolle von KI.
○ Transparente Kommunikation zu Datenschutz und Compliance.
○ Einbindung der Therapeuten in den Einführungsprozess.
3.2. Veränderungen in der Arbeitsweise
- Problem: Die Integration von KI erfordert eine Umstellung der Arbeitsabläufe.
- Maßnahmen:
○ Pilotprojekte zur Erprobung neuer Technologien.
○ Schrittweise Einführung und Anpassung an bestehende Systeme.
4. Kompetenzaufbau (KI-Strategie Schritte 8 und 9: Mitarbeiter und Führungskräfte)
4.1. Schulung der Therapeuten
- Inhalt:
○ Grundlagen der KI und ihre Einsatzmöglichkeiten.
○ Schulung in der Anwendung KI-basierter Tools.
- Ziel: Sicherstellen, dass Therapeuten KI effektiv nutzen können und sich nicht von der Technologie überfordert fühlen.
4.2. Weiterbildung der Führungskräfte
- Inhalt:
○ Entwicklung digitaler Strategien für die Praxis.
○ Change-Management-Workshops, um den Kulturwandel zu begleiten.
- Ziel: Führungskräfte befähigen, die Digitalisierung aktiv voranzutreiben.
5. Investitionen in Infrastruktur und Technologie (KI-Strategie Schritt 2: Tools und Schritt 5: Ethik und Compliance)
5.1. Infrastruktur für die Telematikinfrastruktur (TI)
- Beschreibung: Der Anschluss an die TI ist notwendig, um Patientendaten sicher und effizient zu verwalten.
- Maßnahmen:
○ Förderprogramme nutzen, um die Einführung zu finanzieren.
○ Kooperationen mit IT-Dienstleistern eingehen.
5.2. Datenschutz und Compliance
- Beschreibung: KI-Systeme müssen die hohen Datenschutzanforderungen im Gesundheitswesen erfüllen.
- Maßnahmen:
○ Implementierung von datenschutzkonformen Lösungen.
○ Regelmäßige Audits und Schulungen zu Datenschutzrichtlinien.
Die Therapiebranche kann durch den gezielten Einsatz von KI ihre Effizienz und Patientenzufriedenheit erheblich steigern. Dabei ist ein schrittweiser Ansatz entscheidend: von der Analyse des Status Quo über die Auswahl passender Technologien bis hin zur Schulung der Fachkräfte. Gleichzeitig müssen kulturelle Widerstände abgebaut und datenschutzrechtliche Anforderungen konsequent erfüllt werden. Mit diesem Aktionsplan wird die Branche in die Lage versetzt, die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu bewältigen und Patientenversorgung auf höchstem Niveau sicherzustellen.
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