Therapie

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19.04.2023

Gewusst wie!

Gewusst wie!

Gründung einer Physiotherapie-Praxis aus wirtschaftlicher Sicht

Eine nahezu gleichbleibende Anzahl von erbrachten Therapieeinheiten steht merkbaren Umsatzsteigerungen gegenüber. Dies geht aus dem Anfang des Jahres erschienenen Heilmittelbericht des „WIdO“ der AOKen hervor. „Die absolute Zahl an Patienten ist gegenüber 2020 mit 0,6 Prozent kaum gestiegen, die Patientenrate je 1.000 AOK-Versicherte ebenfalls nur um 0,1 Prozent.“ Und weiter: „Der absolute GKV-Heilmittelumsatz erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr um 9,6 Prozent.“ So die Studie der AOK.

Eigentlich eine sehr gute Situation, um sich selbstständig zu machen. Zudem profitieren gerade Gründer von Anfang an von möglichen zeitlichen Entlastungen und einem größeren Spielraum für Neuinvestitionen, um sich direkt Standbeine außerhalb der GKV aufbauen zu können. Alte Hasen können ein Lied davon singen, dass dies durch extrem hohe tagtägliche Arbeitsbelastungen in der Vergangenheit zeitlich und finanziell nicht selbstverständlich war.

Bei Null anfangen: die Neugründung

Gemäß unserer Erfahrung ist eine der ersten Fragen die nach der sinnvollsten Rechtsform bei einer Gründung. Ob als Einzelkämpfer oder direkt als „große“ GmbH – es gilt der Satz: „Es kommt darauf an.“ und muss individuell geprüft werden.

Hilfreich ist es auf jeden Fall, sich die aktuelle Situation im Physiotherapiemarkt anzuschauen. Nach der Anfang Mai 2023 erscheinenden 1. Eckdatenstudie Physiotherapie von TT-DIGI und ETL ADVISION sind der Großteil der Physiotherapiepraxen Einzelunternehmen. Mit großem Abstand folgt die Form der Personengesellschaft. Die Variante einer Kapitalgesellschaft ist anteilmäßig fast zu vernachlässigen. Absolut betrachtet spielen aber alle drei Unternehmensformen für sich eine Rolle bei knapp über 40.000 selbstständigen Physiotherapeuten.

Dass sich mindestens zwei Personen zur Gründung zusammenschließen, kommt häufig vor, wenn man die Gründungs-Anfragen an uns danach betrachtet. Die Argumente, die am häufigsten dafür genannt werden, sind:

  • ››› Fehlendes Know-how wird ergänzt
  • ››› Verantwortung und Risiko werden geteilt
  • ››› Eigenkapitalbasis wird erweitert
  • ››› Mehr Sicherheiten zur Aufnahme von Krediten stehen zur Verfügung
  • ››› Arbeitszeit kann besser eingeteilt, u.U. auch reduziert werden

Doch nicht nur eine Neugründung steht bei jungen Physiotherapeuten hoch im Kurs. Wie sieht es denn aus, eine bereits laufende Praxis von einem Vorgänger zu übernehmen?

Den Staffelstab übergeben: Praxisübernahme

Die Übernahme einer bestehenden Praxis hat verschiedene Vorteile. Das Unternehmen ist im Markt bereits etabliert, unter Patienten und Verschreibern bekannt und die Beziehungen zu Kunden und Lieferanten sind aufgebaut. Die Dienstleistung bzw. das Produktportfolio des Unternehmens ist eingeführt. Gleichzeitig sind die Räume und das Betriebsinventar vorhanden und schließlich – vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels – brauchen Sie keine Mitarbeiter mehr zu suchen. Im Gegenteil: Sie sind da, eingearbeitet und als Team eingespielt.

Der Businessplan

Einen Businessplan zu erstellen, ist für jeden Gründer ein Muss. Er besteht u.a. aus der Darstellung des Unternehmensgegenstands und Ihren Ideen dazu, der Marktanalyse, dem Marketing und Vertriebs- sowie dem Finanzkonzept. Nehmen Sie ruhig Hilfe in Anspruch.

Inhaltlich sollte bei einer Übernahme der Ist-Zustand des Unternehmens beschrieben werden. Dafür lenken Sie Ihren Blick auf die folgenden Fragen: ››› Wie ist die bisherige Entwicklung?

  • ››› Welche Praxisangebote gab es bisher und soll es bei Ihnen geben?
  • ››› Wie hoch waren die Erträge der letzten Jahre?
  • ››› Welche Finanzierung und Förderung kommen infrage?
  • ››› Welche Mitarbeiterqualifikationen werden zukünftig benötigt oder welche Marktpotenziale wurden noch nicht ausgeschöpft?

Aber auch die Softskills, wie die Positionierung im Markt, müssen Sie Dritten gegenüber darstellen und erläutern.

Ihnen selbst kann der Businessplan immer wieder als Orientierungshilfe in der Anfangsphase dienen, gerade dann, wenn sich Ziele auf dem Weg zur Selbstständigkeit ändern, was in der Regel passiert. Empfehlenswert ist es, eine Aufstellung nach dem Canvas-Modell vorzunehmen, um sicher zu sein, keinen Aspekt in Ihrer Gründungsphase zu vergessen.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, von Anfang an den Ertrags- und Liquiditätsplan regelmäßig zu erstellen. Liquidität ist die Möglichkeit, allen (kurzfristigen) Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Ich habe Gewinn – aber keine Liquidität? Ihr Steuerberater unterstützt Sie, damit Ihnen das nicht passiert.

Wie hoch ist der Preis?

Der Wert der Physiotherapie-Praxis, die Sie übernehmen, ist nicht automatisch der Kaufpreis. Vielfach ist Verhandlungsgeschick gefragt.

Neben den adjustierten letzten Jahresüberschüssen fließen der Zustand und die Zukunftsperspektiven der Einrichtung für die Ermittlung des Kaufpreises ein.

Nehmen Sie durchaus Hilfe dafür in Anspruch und stellen Sie selbst eine Praxiswertermittlung an. Verlassen Sie sich nicht auf die Verkäuferseite. Das gilt auch für die Prüfung aller schriftlichen Vereinbarungen mit der notwendigen Sorgfalt Ihrerseits (Due Diligence). Ihr Steuer- oder Unternehmensberater unterstützt Sie gegebenenfalls zusammen mit einem Rechtsanwalt. Zu den verschiedenen steuerrechtlichen Aspekten gehen wir in einem separaten Beitrag in einer der nächsten Ausgaben genauer ein.

Die Finanzierung

Die hier dargestellten Punkte sind nicht abschließend. Ebenso ist das Thema der Finanzierung Ihres Vorhabens ein eigenes Kapitel in Ihren Planungen. Wie hoch sollte oder kann die Eigenkapitalquote sein und wie kommen Sie günstig an Fremdkapital? Berücksichtigen Sie die Möglichkeiten von Förderdarlehen oder auch von Bürgschaften.

Christoph Soldanski


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