
Ernährung & Gesundheit
13.01.2025
Gesundheitsthemen auf dem Vormarsch:

Wie sollten Einrichtungen reagieren?
Im Rückblick auf die vergangenen vier Jahre sahen sich sowohl die Volksgesundheit als auch die Gesundheitspolitik großen Herausforderungen gegenüber, die bis in die Gegenwart hineinreichen. Christian Kunert zeigt die Veränderungen auf und die damit verbundenen Möglichkeiten für Betreiber in der Gesundheitsbranche.
Gesundheitliche Entwicklung nach der Pandemie
So hat in jüngster Vergangenheit insbesondere die mentale Gesundheit gelitten, wie der Gesundheitsatlas Deutschland des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt. Demnach ist für die Coronapandemiejahre ein Anstieg an Depressionen, insbesondere bei jüngeren Menschen zwischen 10 und 24 Jahren sowie bei den Älteren über 65 Jahre, zu erkennen. Dabei waren rund 9,5 Millionen Menschen in Deutschland 2022 von Depressionen betroffen.
Aktuellen Daten des Instituts zufolge ist die Prävalenz der diagnostizierten Erkrankungen in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich gestiegen und hat zuletzt mit 12,5 Prozent einen neuen Höchststand erreicht. Zudem fühlen sich viele Menschen in diesen Altersgruppen einsam.
Physische Gesundheit hat sich weiter verschlechtert
So zeigt der Deutsche Herzbericht (Update 2024), dass die Krankheitslast und Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland nach wie vor hoch sind und teilweise sogar zunehmen. Dem aktuellen Bericht zufolge, der sich auf das Jahr 2022 bezieht, starben insgesamt 216.944 Menschen an den Folgen einer Herzkrankheit, was im Vergleich zum Vorjahr einer Zunahme um 5 Prozent entspricht. Hinzu kommt, dass der Bewegungsmangel weiter auf dem Vormarsch ist und weitreichende Auswirkungen auf die ganzheitliche Gesundheit hat. Laut dem DKV-Report ‚Wie gesund lebt Deutschland‘ ist die tägliche Sitzzeit inzwischen auf 9,5 Stunden angewachsen.
Gesundheitsbewusstsein gestiegen
Möchte man dieser Zeit mit all ihren negativen Auswirkungen auf die Gesundheit jedoch etwas Positives abgewinnen, so können wir feststellen, dass sich ein neues Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung etabliert. So haben viele Menschen in dieser Zeit ihre Ernährungs- oder Bewegungsgewohnheiten angepasst oder sogar komplett umgestellt und laut PWC-Bericht ‚Neues Gesundheitsbewusstsein für Deutschland‘, will ein Großteil auch jetzt daran festhalten.
Zudem gab es 2023 laut statista in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren rund 20 Mio. Menschen, die sich zur Gruppe derer zählten, die sehr auf ihre Gesundheit achten (Gesundheitsbewusste). Zur gleichen Zeit sind 25 Mio. Menschen sehr an Gesundheitsthemen interessiert. Vor diesem Hintergrund wurden 2023 in Deutschland gut 115 Mrd. € für Gesundheit durch private Haushalte ausgegeben, was statistisch gut 1.400 EURO pro Person und einen Anstieg von 30 Mrd. € im Vergleich zu 2015 bedeutet. Das entspricht gut 13 Prozent am BIP und bedeutet weltweit Rang 2, hinter den USA.
Gesundheitsbewusste Zielgruppe
Um dieses neue Gesundheitsbewusstsein besser zu verstehen, muss genauer auf diese Zielgruppe geschaut werden. So kann zunächst festgehalten werden, dass wir keinen geschlechtsspezifischen Unterschied feststellen. Demnach sind 2023 je 50 Prozent der gesundheitsbewussten Personen männlich bzw. weiblich, was insofern interessant ist, weil wir in den jährlichen Präventionsberichten der GKV, im Kontext von Personen, die Präventionsmaßnahmen besuchen, mit 80/20 zugunsten der Frauen eine andere Wahrnehmung haben.
Ein weiterer Unterschied zum Präventionsbericht lässt sich in der Altersstruktur finden, die bei gesundheitsbewussten Personen zu 70 Prozent zwischen 23 und 59 Jahren liegt. Demgegenüber sind die Teilnehmer an Präventionsangeboten zu 75 Prozent im Alter zwischen 40 und 69 Jahren.
Blickt man abseits des Präventionsberichts noch genauer auf die Zielgruppe gesundheitsbewusster Menschen in Deutschland, so haben 75 Prozent ein mittleres bis hohes Einkommen (> 2.555 € netto/Monat) und leben zu 50 Prozent urban. Dabei ist ihnen thematisch in der Hauptsache körperliche Fitness wichtig, sodass Fitnesstraining im Ranking der wichtigsten Einflussfaktoren auf Gesundheitsparameter hinter Joggen und Wandern auf Platz 3 liegt. Zur abschließenden Beschreibung der Zielgruppe sei angemerkt, dass etwa 60 Prozent die sozialen Medien als Infoquelle für Gesundheitswissen nutzen (vgl. statista 2024 – Target audience: Health-conscious consumers in Germany).
Konsequenzen für Fitness- und Gesundheitseinrichtungen
Für die fitness- und gesundheitsorientierten Einrichtungen ergeben sich aus diesen aktuellen Erkenntnissen Möglichkeiten der Angebotsplanung:
1. Das Gesundheitsbewusstsein steigt. Konsequenz: Gesundheitsangebote schaffen
2. Menschen sind bereit, für Gesundheit Geld auszugeben und haben die finanziellen Ressourcen. Konsequenz: Gesundheit darf wieder etwas kosten
3. Menschen fühlen sich zunehmend einsam. Konsequenz: Training als Ort der Begegnung definieren
4. Die Zielgruppe ist mittleren Alters und sowohl männlich als auch weiblich. Konsequenz: Weg vom Rehasport, der die Räume blockiert und moderne und zielgerichtete Gesundheitsangebote schaffen
5. Fitnesstraining genießt hohes Ansehen. Konsequenz: Qualität der Betreuung steigern, um dem Ansehen gerecht zu werden
6. Fitness- und Gesundheitswissen resultiert verstärkt aus ungesicherten Quellen.
Konsequenz: Ausbildungsniveau hin zu abgeschlossenen, anerkannten Ausbildungen und/oder Studiengängen hochsetzen.
Die Fitnessbranche im Realitätscheck
Leider geht die Wahrnehmung der Fitnessbranche aktuell in eine andere Richtung und somit an den Gesundheitsbedürfnissen der Bevölkerung vorbei. So setzen immer mehr Einrichtungen in ihrer Unternehmensstrategie weniger auf die Qualität des Trainerpersonals. Vielmehr geht es an vielen Stellen darum, Umsatzmaximierung mit Kostenreduzierung für den maximalen Gewinn zu koppeln.
Dabei erhebt die Branche für sich jedoch seit Jahren den Anspruch, Vorreiter zum Erhalt und zur Förderung der Volksgesundheit zu sein. Dabei ist aktuell das Gegenteil der Fall. Denn durch zunehmenden Personal- und Fachkräftemangel, in Kombination mit der wachsenden Motivation zu Digitalisierung und Automatisierung, verliert die Branche das Kerngeschäft aus den Augen: die (Zusammen-) Arbeit mit dem gesundheitsorientierten Kunden …
Bedarfsorientierte Fitness und Gesundheit entstehen jedoch nur, wenn Menschen mit Menschen arbeiten und dabei zur gleichen Zeit im gleichen Raum sind - in diesem Fall gut ausgebildete Trainer und Kunden. Und dann darf Gesundheit auch etwas kosten!
Christian Kunert
‹ Zurück