Training

Training

Training


16.06.2023

Für mehr Leistung und weniger Schmerz

Für mehr Leistung und weniger Schmerz

Positive Effekte des Augentrainings

In vielen Trainings- und Therapieansätzen wird dem visuellen System bisher nur wenig Beachtung geschenkt. Trainer und Therapeuten sollten sich jedoch bewusst sein, dass Augentraining ein wertvolles Instrument ist, um nicht nur die Sehleistung und die visuelle Wahrnehmung Ihrer Klienten zu verbessern, sondern auch um die Leistung zu steigern und einen Beitrag zur Schmerzreduktion zu leisten.

Durch unsere Augen erhält das Gehirn die meisten Informationen über unsere Umwelt und hierüber werden fast alle unsere Bewegungen koordiniert. Liefern die Augen mangelhafte oder zu wenige Informationen an unser Nervensystem, so ist das Gehirn nicht in der Lage, Situationen adäquat einzuschätzen und nimmt „Sicherheitsmaßnahmen“ vor. Diese können sich als Bewegungseinschränkungen, Kraftverlust oder auch im schlimmsten Fall Schmerzen äußern.

Folgen der modernen Arbeitswelt

Unsere heutige, moderne (Arbeits-) Welt mit einer immer länger werdenden Bildschirmzeit, bedeutet für das visuelle System zum einen Höchstleistung, zum anderen aber auch einen Verlust an visuellen Fähigkeiten, wie zum Beispiel Sichtfeld, Akkommodation oder binokulares Sehen.

Die Folgen können Fehlsichtigkeit, Nacken- und Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme sein, um nur einige zu nennen. Um diesen Folgen entgegenzuwirken und das visuelle System gesund und funktionsfähig zu halten, ist es essenziell, alle Facetten zu trainieren. Dies ist durch Augentraining möglich.

Zu einem Augentraining gehört dabei weit mehr, als nur das Scharfsehen zu trainieren, was zum Beispiel bei einem Sehtest überprüft wird. Scharfes Sehen, d. h. Objekte klar und deutlich erkennen zu können, ist eine Grundfähigkeit in der visuellen Hierarchie. Diese Fähigkeit wird bei jeder Augenübung automatisch mit trainiert.

Sichtfeld/periphere Wahrnehmung

Eine visuelle Fähigkeit, der weit weniger Beachtung geschenkt wird, ist das periphere Sehen bzw. die periphere Wahrnehmung, wobei dieser eine hohe Relevanz zukommt. Als peripheres Sichtfeld lässt sich alles bezeichnen, was wir sehen, ohne es direkt anzuschauen. Es ist der visuelle Raum, in dem wir uns bewegen und dieser trägt in entscheidendem Maße dazu bei, wie sicher wir uns fühlen und bewegen. Es handelt sich hierbei um einen Grundsicherheitsfaktor für Menschen und dient der Gefahreneinschätzung.

Ein einfaches Beispiel aus dem Alltag ist der Straßenverkehr. Und auch im Sport, z.B. in Mannschaftssportarten muss der Sportler, während er mit den Augen den Ball verfolgt, zusätzlich noch erkennen können, wo sich Mitspieler und Gegner befinden. Sobald die periphere Wahrnehmung eingeschränkt ist, entsteht für das Gehirn daraus eine Unsicherheit und reguliert unsere Leistung runter. Insbesondere leiden darunter die Stabilität sowie die Bewegungspräzision.

Um das periphere Sichtfeld zu überprüfen und zu schulen, bietet sich ein peripheres Wahrnehmungs-Chart an. Hierzu wird das Chart in Lesedistanz auf Augenhöhe gehalten. Der Klient fixiert mit beiden Augen den kleinsten Buchstaben in der Mitte des Charts und versucht parallel die Buchstaben weiter außen wahrzunehmen bzw. zu lesen.

Wichtig ist, dass der Blick im Mittelpunkt gehalten wird. Die Augen sollten hierbei möglichst entspannt bleiben. Bereiche, in denen der Klient über eine eingeschränkte Wahrnehmung verfügt, gilt es im Anschluss durch weitere Maßnahmen aufzuarbeiten und zu schärfen.

Vergenz

Die Fähigkeit der Augen zwischen zwei Objekten, die sich in unterschiedlichen Distanzen befinden, hin und her zu springen und diese in den visuellen Fokus zu rücken, heißt Vergenz (genauer gesagt die dazu nötige Augenbewegung). Bei Bildschirmarbeit befinden sich unsere Augen fast ausschließlich in der Konvergenz, was zu einer hohen Augenbelastung führt und das sympathische System triggert. Um diesem entgegenzuwirken, können Nah-Fern Sprünge helfen, die die Vergenz trainieren.

Der Klient hält ein Nah-Chart (mit z.B. Buchstaben) auf Augenhöhe in Lesedistanz vor sich. Das Fern-Chart (mit z.B. größeren Buchstaben) wird in der Ferne auch in Augenhöhe angebracht. Die Distanz wird so gewählt, dass die Buchstaben gerade noch deutlich und klar erkannt werden.

Nun springt der Klient mit seinen Augen von nah zu fern und wieder zurück. Der Blickwechsel erfolgt immer erst dann, wenn der Buchstabe klar und deutlich erkannt wurde. Dies ist ein essenzieller Bestandteil der Übung und erst einmal wichtiger, als schnelle Wechsel zu erreichen.

Zweiäugiges Sehen

Zur visuellen Wahrnehmung gehört auch das zweiäugige (binokulare) Sehen, was für die Entfernungseinschätzung und das räumliche Sehen wichtig ist. Wie weit befinden sich bewegte, aber auch nicht bewegte Objekte von mir weg? Wie weit ist das Auto von mir entfernt und wie schnell fährt es? Wo genau ist der Ball?

Diese Frage ist insbesondere für Ballsportarten von Relevanz. Kann das Gehirn keine klare Vorhersage treffen, wann und wo ein Objekt bei mir ankommt, so ist die Leistung nicht von Kraft oder Schnelligkeit abhängig, sondern von dem visuellen Input. Auch diese Fähigkeit kommt bei vielem Nah-Sehen zu kurz.

Das binokulare Sehen kann mit Hilfe der Brock-Schnur trainiert werden. Hierzu wird ein Ende der BrockSchnur auf Augenhöhe befestigt. Die Kugeln werden auf der Schnur verteilt. Die erste sollte sich im Leseabstand befinden, die zweite eine Armlänge entfernt und die dritte circa einen Meter entfernt.

Der Klient nimmt das freie Ende der Schnur und bringt es zu seiner Nasenspitze. Die Schnur sollte gespannt sein. Seine Aufgabe ist es, die Kugeln nacheinander mit beiden Augen zu fokussieren. Ist dies der Fall, laufen zwei Schnüre in die Kugel und auch wieder heraus. Der Blick ruht wenige Sekunden in dieser Position, bevor der Wechsel zur nächsten Kugel stattfindet.

Sollte die Schnur unscharf, nur teilweise oder gar nicht zu sehen sein, zeigt dies eine Einschränkung des binokularen Sehens, die es aufzuarbeiten gilt. Eine Hilfestellung kann sein, dass der Trainer die Schnur leicht in Schwingung bringt. Die ist z.B. durch sanftes Zupfen an der Schnur möglich.

Anspruchsvolle Trainingsform

Visuelles Training ist für das Gehirn äußert anspruchsvoll, da sehr viele Gehirnareale angesprochen werden und es entsprechend viel Energie verbraucht. Zudem ist Augentraining für viele Menschen neu und bisher nicht standardmäßig in Training und Therapie etabliert. Es ist daher darauf zu achten, dass es behutsam eingeführt wird. Dies bedeutet zu Beginn wenigen Übungen und Wiederholungen und ausreichende Entspannungsübungen für die Augen.

In einem ganzheitlichen Trainingsoder Therapieansatz ist es unerlässlich, sich auch mit dem visuellen System zu beschäftigen und seine Relevanz für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden der Klienten zu erkennen. Es sollte auf seine Funktion hin überprüft und entsprechend in das Trainingsprogramm integriert werden.

Andreas Könings


‹ Zurück

© TT-Digi 2025