Digitalisierung
22.06.2020
Digitale Therapie und Trainingskonzepte
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Der Therapeut als Gesundheitsdienstleister im digitalen Netz: Die Einführung des Digitalen Versorgungsgesetzes (DVG) zum 1. Januar 2020 beschleunigt rasant die Digitalisierung des Gesundheitsmarktes. Im Heilmittelmarkt blieb dies meist unbeachtet. Die Corona-Krise hat nun verdeutlicht, wie wichtig ergänzende digitale Therapie- und Trainingskonzepte sind – auch ohne persönliche Kontakte.
Mit Blick auf die Zukunft gibt es viele gute Gründe, die für eine schnelle Digitalisierung der Therapie sprechen. Zum einen ist das der Fachkräftemangel, der durch zeit- und ortsunabhängige digitale Therapieunterstützung, insbesondere im ländlichen Raum abgemildert werden kann. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist eine effiziente, d.h. durchgehend digitale Organisation und Abrechnung aller Praxis- und Kommunikationsbereiche.
Neue Umsatz-Chancen für Therapeuten und Trainer
Der demografische Wandel mit einer alternden Gesellschaft und immer mehr Chronikern benötigt digitale Assistenzsysteme in Therapie und Pflege. Zur schnelleren Digitalisierung tragen natürlich auch neue Technologien in Form von Teletherapie-Systemen und Übungssystemen mit Sensorik, Echtzeit-Feedback und Video - kommunikation bei.
Ängste hinsichtlich der Digitalisierung sind vorhanden, aber unbegründet, da die Expertise der Physiotherapeuten weiterhin ein zentrales Mittel bei der Patientenversorgung darstellt.
Digitalisierung bietet Therapeuten eine wesentliche Flexibilisierung, ergänzende Möglichkeiten und schafft neue Geschäftsmodelle bzw. Einnahmequellen.
Das digitale Versorgungsgesetz (DVG)
Gesetzliche Basis ist das DVG. Es regelt u.a. die für Therapeuten wichtige Vergütung digitaler Angebote sowie die Vorgaben zur sicheren Telematik-Infrastruktur (TI). Zudem wird im DVG die Umsetzung der elektronischen Patientenakte (ePa) und der digitalen Unterschrift (QES) beschrieben.
Digitale Tele - therapie-Systeme
Ist das die Zukunft? Nein, das ist therapeutischer Alltag! Schon heute setzen Kliniken Teletherapiesysteme wie zum Beispiel von Caspar Health, Evo Care und Kaja Health ein.
Im Sommer kommt noch das Teletherapiesystem eGeia-active® der eGeia GmbH hinzu. Das System entwickelte das Fraunhofer- Institut FOKUS in Berlin und wurde unter anderem in einem Projekt mit Kliniken und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) evaluiert. Es ist derzeit das Einzige mit medizinisch validierter Bewegungsanalyse und Echtzeit- Feedback, zum Beispiel zur Haltungskorrektur. Innovative Sensorik und Künstliche Intelligenz (KI) ermöglichen es, Patienten direkte Rückmeldung zur Übungsausführung über Text, Sprache und Video zu geben.
Patienten können mit dieser Teletherapielösung zu Hause alleine oder über die Videosprechstunde trainieren. Therapeuten konfigurieren hierfür im Vorfeld je nach Diagnose patientenindividuell Übungen, automatisieren, dokumentieren sie und werten sie aus. Sie greifen auf sehr genaue Bewegungsdaten des Einzelnen zurück und erreichen damit eine bisher unerreichte Messgenauigkeit.
Im Bereich der Reha-Nachsorge kann eGeia-active® beispielsweise für T-RENA in Kombination von Vorort- und Hometraining eingesetzt werden. Zudem ermöglicht das System Videosprechstunden und zukünftig auch Präventionsprogramme, die im Betrieblichen Gesundheitsmanagement einzusetzen sind. Kurz: Ein derartiges Teletherapiessystem kann Physiotherapeuten als digitale Ergänzung dienen und ihnen neue Geschäftsfelder und Einnahmequellen erschließen.
Übrigens können Therapeuten damit auch aus dem Homeoffice arbeiten.
Gesundheits-Apps auf Rezept
Ärzte dürfen schon heute Gesundheits- Apps auf Rezept verordnen. Umgekehrt haben Patienten einen rechtlichen Anspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen, sofern diese durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft bzw. freigegeben wurden.
Damit diese Systeme zur Abrechnungsposition werden, ist unter anderem die Medizinproduktezulassung eine zentrale Voraussetzung, auch im Bereich Physiotherapie.
Krankengymnastik als Video-Abrechnungsposition
Vor dem Hintergrund der Corona- Pandemie dürfen Physiotherapeuten, vorerst bis 31. Mai 2020, Behandlungen im Rahmen einer telemedizinischen Leistung durchführen und abrechnen. Hierzu gehören die allgemeine Krankengymnastik, die KG-Mukoviszidose und die Bewegungstherapie/Übungsbehandlung in Einzelbehandlung.
Die Abrechnungsdokumentation erfolgt auf der Verordnungsrückseite durch die Kürzel „V“ für Video behandlung oder „T“ für telefonische Beratung im Bereich Ernährung. Die Patienteneinwilligung und -leistungsbestätigung hierfür kann formlos per E-Mail erfolgen und ist durch die Praxis als Nachweis zu archivieren. Perspektivisch wird die E-Mail-Bestätigung wohl durch eine digitale Unterschrift ersetzt werden.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die Heilmittelverbände in den Verhandlungen mit den Kostenträgern diese Chance zur dauerhaften Etablierung der Teletherapie nicht entgehen lassen.
Tipp
Aus Datenschutz- und Abrechnungsgründen sind ausschließlich zertifizierte Videodienste zu empfehlen. Medizinische Anbieter und weitere wichtige Infos finden Sie auf der KBV-Website unter
Digital vernetzte Physiotherapie
So könnte schon bald die digitale Welt des Physiotherapeuten aussehen: Der Arzt speichert das eRezept oder die Blankoverordnung auf der Gesundheitskarte bzw. auf mobilen Endgeräten. Der Therapeut übernimmt das in seine Praxissoftware, befundet und therapiert den Patienten standortunabhängig in der Praxis, im Altenheim, im Betrieb oder auch zu Hause über webbasierte Lösungen.
Alle Möglichkeiten für höherwertige Rezepte und sinnvolle Therapie verlängernde Maßnahmen erkennt der Therapeut über softwaregestützte Auswertungen. Die Leistungen werden vom Patienten mit einer digitalen Unterschrift bestätigt. Die Kassenabrechnung erfolgt direkt aus der Praxissoftware via zertifizierter Kassenschnittstelle – ohne Umweg über ein Abrechnungszentrum.
Und wie lernen die Physiotherapeuten all das? Hier kann die fortschreitende Digitalisierung ebenso von Vorteil sein. Blended Learning, also die Kombination aus Präsenz und Online-Schulung wird von verschiedenen Anbietern bereits praktiziert und spart einiges an Vorort-Schulungstagen und Reisekosten ein. Dabei kommen sowohl Videos als auch interaktive Trainingssysteme zum Einsatz. Zudem entstehen derzeit neue virtuelle Tagungs-, Kongress- und Messeplattformen mit Live-Präsentationen, sodass immer öfter auf Reisen verzichtet werden kann.
Der Physiotherapeut als digitaler Patienten-Lotse
Die Digitalisierung verändert auch die Rolle des Therapeuten. Er steuert und überwacht zunehmend die Patientengesundheit und wird zum Gesundheitsberater bzw. Patienten-Lotsen – eine Rolle, die bisher der Arzt einnahm. Da raus ergibt sich die Chance, Patienten von therapeutisch sinnvollen Selbstzahlerleistungen zu überzeugen.
Die Corona-Pandemie hat bereits zur beschleunigten Digitalisierung der Physiotherapie beigetragen. Ich vermute, dass es in absehbarer Zeit zum Alltag von Physiotherapeuten gehört, über Telereha-Systeme Videoberatungen durchzuführen und Hometraining anzuleiten.
Zukunftsfähige Software
Ein weiterer Aspekt ist eine zukunftsfähige Praxissoftware, die webbasiert und damit standortund plattformunabhängig sein sollte. Die sicheren Verknüpfungen zu Endgeräten wie Smartphone, Tablet und zu digitalen Übungssystemen sind unabdingbar.
Die Software kann möglichst die komplette Heilmitteltherapie, Rehasport- und Präventionskurse, die DRV-Reha-Nachsorge (IRENA und T-RENA) sowie die Bereiche medizinische Fitness und Selbstzahler organisieren und abrechnen. Funktionen wie die digitale Unterschrift und die Ansteuerung von Kassen-, Getränkeautomaten-, Zutrittsund Schließsystemen helfen bei der Automatisierung von Abläufen. Hierzu gehören automatisierte Terminvorschläge und voraus gefüllte Formulare.
Natürlich sollte eine solche Praxissoftware auch die Patientenkommunikation – beispielsweise datenschutzkonform über SMS – und alle wichtigen Buchhaltungs-/ DATEV-Funktionen beinhalten. Ebenfalls sind Auswertungsfunktionen wie die optimierte Kursauslastung und die Abrechnungsprüfung relevant. Um eine einfache Umstellung zu gewährleisten, sind automatisierte Datenübernahmen aus Altsystemen und Dubletten- Bereinigungsfunktionen von Vorteil.
Chancen für Physiotherapeuten
Mit einer individuellen Digitalisierungsstrategie stellen Sie die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft. Die Entwicklungschancen zum Gesundheitsdienstleister mit zusätzlichen digitalen Angeboten waren noch nie so gut wie heute – starten Sie jetzt!
Über den Autor
Harald Finger ist Geschäftsführer von CNS Health und berät Gesundheitseinrichtungen im Heilmittel-, Präventionsund Rehabereich. Er blickt auf eine langjährige Erfahrung im Heil-, Hilfsmittel und ambulanten Pflegemarkt zurück. Seine Beratungsschwerpunkte sind Digitalisierung und Selbstzahlerlösungen.
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