
Digitalisierung
10.04.2025
Die Wartung des menschlichen Körpers

Dank KI 800 Jahre leben? Teil 3: Wie KI unsere Gesundheitsoptimierung revolutioniert
Stellen Sie sich vor, Ihr Körper sendet Ihnen eine Benachrichtigung: "Achtung, Ihr Blutzuckerspiegel wird in 30 Minuten einen kritischen Wert erreichen. Bitte nehmen Sie eine ausgewogene Mahlzeit zu sich." Was nach Science-Fiction klingt, ist bereits greifbare Realität für Sportler, die Systeme wie Supersapiens oder die Freestyle-Libre-Sensoren von Abbott nutzen. Ursprünglich entwickelt für Diabetiker, erobern nun derartige neue Gadgets die Welt des Sports. Während wir in der Industrie längst auf „predictive maintenance“ setzen, also auf vorausschauende Wartung von Maschinen und das Erkennen potenzieller Defekte noch bevor diese auftreten, beginnen wir jetzt, dieses Konzept auf unseren wichtigsten Apparat zu übertragen: den menschlichen Körper.
Willkommen in der Ära der prädiktiven, prognostischen Gesundheitsoptimierung und der Präzisionsmedizin! Durch Wearables wie Fitness-Tracker, Smartwatches und -ringe, intelligente Fitnessgeräte sowie kontinuierliches Glukosemonitoring lässt sich eine Vielzahl von Biomarkern in Echtzeit überwachen. Im Fall von Supersapiens etwa hilft ein spezielles Armband namens Energy Band. Derartiges Echtzeit-Monitoring ermöglicht es Sportlern, ihre Ernährung so anzupassen, dass sie optimale Glukosewerte aufrecht - erhalten und damit ihre Leistung maximieren können.
Die gesammelten Daten bilden die Grundlage für personalisierte Gesundheitsanalysen und frühzeitige Interventionen, basierend auf drei Säulen:
1. Datenerfassung: Moderne Wearables und Sensoren sammeln kontinuierlich Gesundheitsinformationen in Echtzeit.
2. KI-gestützte Analyse: Künstliche Intelligenz erkennt Muster und Anomalien in den gesammelten Daten.
3. Personalisierte Intervention: Auf Basis der Analyse werden individuelle Empfehlungen zur Optimierung von Gesundheit und Ernährung gegeben.
Intelligenter schlafen?
Unternehmen wie WHOOP haben sich auf die Erfassung und Analyse von Schlafdaten spezialisiert. Denn mehr und mehr wird die zentrale Bedeutung des Schlafs für die Gesundheit erkannt. So werden nun verschiedene Schlafphasen getrackt, einschließlich leichtem Schlaf, Tiefschlaf, REMSchlaf und Wachzeiten. Auch Wearables wie der Oura-Ring analysieren das Schlaf- und Stressmuster. „Verleihe Deinem Körper eine Stimme“, heißt hier das Programm, an dem bereits 10 Jahre geforscht wird. WHOOP und Unternehmen wie Fitbit bieten auch intelligente Weckfunktionen an, damit man nicht aus einer Tiefschlafphase gerissen wird – das Schlaflabor am Handgelenk.
Neben der kontinuierlichen Überwachung von Biomarkern spielt auch die regelmäßige Analyse der Körper - zusammensetzung eine wichtige Rolle. Unternehmen wie seca, Inbody und Scaneca haben Technologien entwickelt, die weit über einfache Gewichtsmessungen hinausgehen. Scaneca etwa spezialisiert sich auf 3D-Körperanalyse-Technologie. Diese Systeme erstellen detaillierte virtuelle Kopien des menschlichen Körpers, die eine umfassende Bewertung der Körperzusammensetzung, der Haltung und anderer gesundheitsbezogener Parameter ermöglichen.
Intelligente Fitness-Systeme auf dem Vormarsch
Die gesammelten Daten fließen idealerweise in ein personalisiertes Trainingsprogramm ein. Hier setzen Unternehmen wie EGYM, milon und Technogym mit KI-optimierten Systemen an, die sich automatisch an die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Nutzer anpassen.
Nerio Alessandri, der Gründer und CEO von Technogym, ruft sogar eine neue Ära aus: Nach 40 Jahren Wellness kommt nun Healthness. Er ist überzeugt: „Die Fähigkeit, Krankheiten schon vor ihrem Auftreten vorherzusagen, wird die größte Revolution unserer Zeit sein. Healthness baut auf der Wellness-Philosophie auf und geht mit greifbaren Vorsorgeprogrammen, die auf Daten und KI basieren, noch einen Schritt weiter,“ verkündet der italienische Fitness-Papst, der seinem Milliarden-Unternehmen dadurch eine neue Dimension verleihen möchte.
So gestaltet er Technogym zur „Life Science Company“ mit maßgeschneiderten Präzisions-Trainingsprogrammen um. „Exercise is Medicine“, lautet jetzt sein Mantra. Als Basis für dieses neue Programm dient die Mywellness Open Platform, auf der nach Unternehmensangaben Milliarden von Daten gesammelt wurden, die nun ihre inhärente Intelligenz entfalten.
Daraus resultieren Empfehlungen
Bei milon richtet sich jedes Trainingsgerät durch den sogenannten milonizer schnell und präzise auf den Körpertyp des Nutzers ein, wodurch ein effizientes und sicheres Training gewährleistet wird. Bei EGYM entstehen im Anschluss an standardisierte Kraft- und Mobilitätstests in Sekundenschnelle Trainingspläne, die die gesamte Trainingsfläche, Übungen und freie Geräte einbinden. So optimieren künstliche, maschinelle und menschliche Intelligenz im Gleichklang die Fitnessbranche.
Die Sprache des Körpers dechiffrieren
KI macht heute große Fortschritte, wenn es um die Entschlüsselung der Sprache bestimmter Tierarten geht. Nicht nur Wale, sondern auch Schweine drücken sich weit diffe - renzierter aus als bisher angenommen. Wie sieht es da mit unserem eigenen Körper aus? Durch KI treten vermehrt neue Gesundheits-Parameter zutage. Die neueste Forschung zeigt immer deutlicher, wie zentral etwa die Rolle des Darmmikrobioms für unsere Gesundheit ist. Ein Team von Forschern der Mayo Clinic entwickelte ein innovatives Berechnungstool, um das Darmmikrobiom zu analysieren – jenes komplexe Ökosystem aus Milliarden von Bakterien, Pilzen, Viren und anderen Mikroorganismen in unserem Verdauungssystem. „Endlich haben wir einen standardisierten Index, um quantitativ zu messen, wie gesund das Darmmikrobiom einer Person ist“, sagt Dr. Jaeyun Sung, Bioinformatiker am Mayo Clinic Center for Individualized Medicine's Microbiomics Program in den USA.
Nur wer rechtzeitig auf die Signale seines Körpers hört, kann ein Optimum an Gesundheit realisieren. Dazu gehört auch die Entschlüsselung der eigenen DNA. Eine DNA-Analyse kann Aufschluss über die individuelle aerobe Kapazität, Laktatschwellen und Muskelaufbau-Veranlagung geben. Daraus ergeben sich Empfehlungen für Trainingspläne sowie Analysen, ob man eher für Kraft- oder Aus - dauersport geeignet ist. Genetische Informationen helfen aber auch in Bezug auf den Stoffwechsel. So markiert die Synergien zwischen KI und Nutrigenomik einen richtungsweisenden Fortschritt in der personalisierten Ernährung. Die Integration ausgeklügelter Algorithmen mit genetischen Erkenntnissen ermöglicht die Anpassung von Ernährungsplänen auf Basis individueller genetischer Profile.
Die prognostische Gesundheitsoptimierung beschränkt sich nicht nur auf den individuellen Bereich. Immer mehr Unternehmen erkennen den Wert gesunder Mitarbeiter und integrieren entsprechende Programme in ihre Unternehmensstruktur. Anbieter wie Hansefit, EGYM Wellpass oder Wellhub bietet der Workforce umfassende Lösungen für das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). EGYM Wellpass etwa bietet Mitarbeitern Zugang zu einem umfangreichen Netzwerk von Fitness- und Wellnesseinrichtungen. Hansefit stellt den Mitarbeitern ein umfangreiches Netzwerk von Partnereinrichtungen zur Verfügung, darunter Fitness-Studios, Schwimmbäder, Wellnesscenter und andere Sporteinrichtungen.
Fit in der Datensicherheit: Die Herausforderungen
Bei all den Fortschritten in der prognostischen Gesundheitsoptimierung darf ein wesentlicher Aspekt nicht vergessen werden: Je mehr persönliche Gesundheitsdaten erhoben und in Apps und KI-Systemen gespeichert werden, desto wichtiger wird der Schutz dieser höchstpersönlichen Informationen. Die Sammlung und Analyse sensibler Angaben über den Gesundheitszustand wirft wichtige Fragen zum Datenschutz und zur Datensicherheit auf. Sie stellt Anbieter nicht nur vor ethische, sondern auch vor rechtliche Fragen.
Der EU AI Act stellt hohe Anforderungen an die Anbieter dieser Systeme. KI im Gesundheitswesen, die mit personenbezogenen Daten arbeitet, wird prinzipiell als Hochrisiko-System eingestuft und hat deshalb strenge Auflagen und Dokumentationspflichten. Auch die Grundsätze der DSGVO sind strikt zu befolgen. Sich mit diesen wichtigen Aspekten der KI zu be - schäftigen, wird künftig eine unverzichtbare Aufgabe für Betreiber von Gyms sein. Der „gläserne Mensch“ im Fitness-Studio? Die Branche steht vor neuen Herausforderungen, damit KI nicht zum Fluch, sondern zum Fitness-Segen wird.
Die Autoren
Christoph Santner und Christine Papadopoulos sind KI-Experten, Autoren und Consultants mit ihrer Firma Summit Media GmbH in Gstaad, Schweiz. Einer ihrer Schwerpunkte ist das Thema KI, Wellbeing & Longevity. Kürzlich erschien Santner’s Buch „Alles KI? Die neue Welt der Künstlichen Intelligenz verstehen und nutzen.“ Kontakt: christoph@summitmedia.ch, www.allesKI.com
Das verwendete KI-generierte Bild wurden von Christine Papadopoulos auf Midjourney, Grok und Visual Electric erstellt.
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