Therapie

Therapie

Therapie


18.10.2023

Die neuen Bedürfnisse der jungen Physios

Die neuen Bedürfnisse der jungen Physios

Trends im Praxisalltag mit der Generation Z

Für alle jene Therapeuten, die vor 1990 geboren worden sind, sind folgende Begriffe höchstwahrscheinlich Fremdwörter, sofern sie nicht viel Zeit bei Instagram oder TikTok verbringen: Hustling, Minimum Mondays oder Quiet Quitting. Manche davon verschwinden so schnell wieder, wie sie gekommen sind, andere bleiben dagegen für immer. Eines haben aber alle gemeinsam: Therapeuten gewinnen immer mehr Kontrolle über ihre Arbeitsbedingungen in den Praxen und Inhaber müssen sich zunehmend an die Wünsche der jungen Generation anpassen, wenn sie auch in Zukunft am Markt existieren möchten.

In der DACH-Region zeigt sich langsam, aber sicher eine Verschiebung hin zu flexibleren Arbeitsmodellen und einer erhöhten Sensibilisierung für die Bedürfnisse der Arbeitnehmer. Der aktuelle Arbeitsmarkt ist mit der voranschreitenden Digitalisierung und nach der Corona-Pandemie von einer hohen Dynamik geprägt.

Diese Veränderungen beeinflussen nicht nur die Art und Weise wie wir arbeiten, sondern auch das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dazu gehören Digitalisierung, Kommunikation und der Wunsch nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Im Folgenden gehe ich auf einige Trends näher ein.

Quiet Quitting

Der Begriff Quiet Quitting ging 2022 erstmals auf TikTok viral, als der US-amerikanische Software-Entwickler Zaid Khan unter seinem Pseudonym Zaid Leppelin ein Video veröffentlichte, in dem er erklärt, warum die Arbeit für ihn nicht alles im Leben ist. Auch im Jahr 2023 beschreibt Quiet Quitting noch einen der größten Trends am Arbeitsmarkt. Gemeint ist damit, nicht zu kündigen, aber für die eigene Gesundheit und Work-Life-Balance nur noch so wenig Leistung wie nötig im Job zu erbringen - also mehr eine allgemeine Arbeitseinstellung, als ein individuelles Problem in einer konkreten Stelle.

Spannend: In den USA sind ganze 50 Prozent der Arbeitnehmer Quiet Quitters, wie das US-amerikanische Marktforschungsunternehmen Gallup in einer Studie herausfand. Ihre Therapeuten bewegen sich lustlos durch die Praxis. Der Umgang mit Patienten ist unempathisch und krankheitsbedingte Fehltage sind die Regel? Suchen Sie dringend Kontakt zu den betroffenen Therapeuten.

Act Your Wage

In eine ähnliche Kerbe wie Quiet Quitting, schlägt der Trend Act Your Wage. Verdient man in den eigenen Augen zu wenig, strengt man sich im Job kaum an. Gleichzeitig fordern Anhänger von Act Your Wage, dass gutverdienende Menschen mehr Leistung erbringen, um ihren Lohn zu rechtfertigen. Gibt es ein finanzielles Gefälle zwischen einzelnen Therapeuten, das - warum auch immer - unter den Kollegen die Runde gemacht haben könnte? Prüfen Sie kritisch, wer sich seit wann wie verhält und suchen Sie dringend das Gespräch.

Auch hier handelt es sich um einen realisierten Tiktok Trend. Am Montag ist Gemütlichkeit Trumpf, nahezu noch im Halbschlaf werden Patienten abgearbeitet. Erst an den restlichen Arbeitstagen steigt die Leistungsbereitschaft dann wieder an. Verspüren Sie eine Bewegung dieser Art in ihren Reihen? Denken sie über ein Teammeeting oder eine Teambuilding-Maßnahme zum Wochenstart nach.

Rage Applying

Unzufriedene Therapeuten lassen ihrem Frust über mangelnde Anerkennung oder schlechte Arbeitsverhältnisse freien Lauf. Sie schicken in viel zu kurzer Zeit viel zu viele Bewerbungen raus. Hierbei geht es ausschließlich um Quantität - mit so wenig Aufwand wie möglich, so viele Bewerbungen an andere Praxen versenden ist das Ziel dieses Trends.

Sie erhalten eine offensichtlich völlig lieblose und mangelhaft erstellte Bewerbung? Seien Sie vorsichtig und prüfen sie den Therapeuten im ersten Gespräch auf Herz und Nieren.

Career Cushioning

Cushion ist das englische Wort für Kissen. Auch wenn Therapeuten der Legende nach zumeist nicht monetär getrieben sind, werden auch für Angestellte einer Praxis die Zeiten härter, bzw. das Leben teurer. Angestellte, denen das bisherige Gehalt nicht mehr reicht, legen sich früh einen Plan B zurecht, um keine Existenzangst haben zu müssen. Das kann ein paralleler Schritt in die Selbstständigkeit sein, aber auch einfach eine Bewerbung für eine alternative Stelle.

Prüfen Sie daher regelmäßig die Margen, die Ihre Therapeuten erwirtschaften und passen Sie dahingehend unaufgefordert regelmäßig das Gehalt nach oben an.

Quiet Hiring

Tatsächlich ist Quiet Hiring der einzige Trend in dieser Liste, der unmittelbar durch Arbeitgeber bzw. Personaler geprägt wurde. Hat eine Praxis einen Therapeuten-Abgang zu verschmerzen, wird aus Kostengründen, wegen des Fachkräftemangels oder aus Zeitgründen zunächst oder dauerhaft auf eine Neubesetzung verzichtet. Stattdessen sorgen Inhaber oder Praxisleitung dafür, dass das restliche Team die vakanten Zeiten durch Mehrarbeit auffängt oder Taktung und/ oder Pausenzeiten reduziert.

In Ausnahmefällen kann dies zur Überbrückung eine Möglichkeit sein. Dauerhaft steht dieses Konstrukt jedoch auf wackeligen Beinen. Sorgen Sie daher immer schnellstmöglich für neue Mitarbeiter.

Hustling

Der englische Ausdruck Hustling bedeutet im Deutschen etwa schweres Arbeiten, oder auch sich ohne Rücksicht auf körperliche oder mentale Warnsignale vollends im Job zu verlieren. Nach der Arbeit ist vor der Arbeit und oft arbeiten Hustler einfach nur zuviel und zulange. Hinzu kommt eine gewisse Unzufriedenheit oder ständiger Selbstzweifel an der Performance ihrer Therapie. Physios, die hustlen, setzen sich häufig selbst stark unter Druck, um maximale Produktivität zu erreichen und ihre Karriere in der Praxis voranzutreiben.

Erkennen Sie einen ihrer Therapeuten? Machen Sie regelmäßig Feedback Gespräche, bestätigen Sie ihn/sie in seinem/ihrem Selbstbewusstsein und schenken sie ggf. kleine Aufmerksamkeiten wie Gutscheine für Wellness oder schicken Sie ihn/sie bewusst mal früher nach Hause oder ins Wochenende.

Fazit: Trends erkennen und reagieren

Egal, welchen der genannten Trends sie in ihrer Praxis erkennen: Haben Sie Verständnis für die Bedürfnisse der entsprechenden Generationen, sorgen Sie nachhaltig für eine konstruktive, freundschaftliche aber professionelle Unternehmenskultur.

Gerade in Zeiten des Therapeutenmangels sollte bei Praxisinhabern ankommen, dass es neue Strategien braucht, um ihr Team bei Laune zu halten.

Kristian Kroth


Der Autor

Kristian Kroth betreibt mit seiner Frau Elisa (Physiotherapeutin & Dipl. Sport und Gymnastiklehrerin) seit 2021 die Physio Family in Koblenz.

 


‹ Zurück

© TT-Digi 2024