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09.10.2023

Die neue Kraft der Frauen?!

Die neue Kraft der Frauen?!

Trainieren mit dem Zyklus

Es ist ein Auf und Ab der Hormone – durchgehend für jede Frau ab dem frühen Jugendalter bis zu den Wechseljahren. Der Zyklus der Frau dauert im Schnitt 28 Tage und durchläuft in dieser Zeit mehrere Phasen, bevor er wieder von vorne losgeht. Dieser Ablauf kann auch die sportliche Leistung beeinflussen. Seit geraumer Zeit beschäftigen sich daher Sportlerinnen und Sportmedizinerinnen mit der Möglichkeit, ein Training auf den Zyklus abzustimmen, um Verletzungen zu reduzieren und Ergebnisse zu optimieren. Eine Annäherung an ein noch weitgehend unerforschtes Thema.

Der weibliche Zyklus lässt sich, vereinfacht ausgedrückt, in zwei Phasen unterteilen, vor und nach dem Eisprung. In der ersten Zyklushälfte, der Follikelphase, steigt der Östrogenspiegel stark an. Nach dem Eisprung fällt er ab. In der zweiten Zyklushälfte, der Lutealphase, erreicht der Progesteronspiegel seinen Höhepunkt. Kommt es nicht zu einer Befruchtung der Eizelle, sinkt er und die Menstruation setzt ein. Es sind also allen voran die Hormone Östrogen und Progesteron, die den Zyklus bestimmen.

Jeder weibliche Zyklus ist anders

Der ganzen Thematik vorangestellt werden muss aber unbedingt, dass sich jeder weibliche Zyklus in Feinheiten unterscheidet. Sowohl, was seine Länge angeht, in Bezug auf die Ausprägung der Symptome und was die Hormonkonzentration betrifft.

Aber Hormone beeinflussen viele Vorgänge im Körper, daher erscheint es logisch, dass sie, mit eben individuellen Schwankungen, auch die sportliche Leistungsfähigkeit mitbestimmen. Vor allem, weil Östrogen muskelaufbauend und Progesteron katabol, also muskelabbauend wirkt.

Junges Forschungsfeld

Noch ist die Datenlage zu zyklusbasiertem Krafttraining dünn, aber die ersten Studien zeigen Tendenzen. Prof. Dr. Petra Platen, ehemalige Handballnationalspielerin und jetzige Leiterin des Lehr- und Forschungsbereichs Sportmedizin und Sporternährung an der Ruhr-Universität Bochum, hat in Studien den Einfluss des Zyklus' auf Kraft- und Ausdauertrainierbarkeit untersucht. Sie kommt zu dem Schluss: „Wahrscheinlich ist für die Krafttrainierbarkeit ein zyklusphasenbasiertes Training besser.“

Für die Ausdauerfähigkeit scheint der Zyklus weniger eine Rolle zu spielen. Ein intensives Krafttraining macht daher wahrscheinlich in der Follikelphase aufgrund der höheren Östrogenkonzentration Sinn, bessere Trainingsergebnisse sind möglich. Während die Lutealphase zu Wassereinlagerungen und Erschöpfung führen kann. Diese Aussagen sind bewusst vorsichtig formuliert.

Bewusstsein schaffen

Auch Paulina Ioannidou, Sportphysiotherapeutin mit eigener Praxis, Dozentin an der Sporthochschule Köln und ehemalige professionelle MMA-Kämpferin, sagt ganz klar: „Es gibt tatsächlich noch großen Forschungsbedarf, denn die Studienlage ist rar, Metaanalysen gibt es keine.

Die bisherigen Studien sind in ihrer Qualität nicht sonderlich gut, es sind entweder Single Case Studies oder Kohortenstudien, bei denen andere Parameter, wie Ernährung oder Schlaf nicht gemessen wurden.“

Sie hat ihren Forschungsschwerpunkt auf den Einfluss weiblicher Steroidhormone auf Kraft und Muskulatur gelegt und bietet unter anderem in Online Female Kursen an, Frauen auf Basis der aktuellen Datenlage über den Zyklus zu informieren. Ihr geht es dabei darum, keine „Nocebos“ zu verteilen, also den Frauen nicht zu sagen, was sie nicht machen dürfen, sondern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was der Zyklus mit einem machen kann, auch in sportlicher Hinsicht. Leitungseinbrüche, geringerer Muskelaufbau, Stoffwechselprozesse werden heruntergefahren – wenn man weiß, woran das liegt, kann man eher gegensteuern.

Professor Platen sieht daher ein Training mit Blick auf die hormonellen Vorgänge im Körper auch aufgrund eines weiteren Grundes für ratsam: „Es geht für Sportlerinnen auch darum, nicht zu verzweifeln, wenn sie sich an manchen Tagen nicht gut fühlen. Wer die Zusammenhänge kennt, kann gelassener damit umgehen.“

Ein Zyklustracking ist daher für Athletinnen unerlässlich. Wann bekomme ich meine Tage, wie lange dauert mein Zyklus, wie fühle ich mich in welcher Phase? Dann kann man eher entscheiden, welche Trainingsintensität wann passt.

Zyklus und andere Leistungsfaktoren

Das gilt übrigens nur, wenn die Frau keine hormonellen Verhütungsmittel einnimmt. Trotz aller ersten Ergebnisse sei es falsch, beim Training nur auf den Zyklus Rücksicht zu nehmen, meint Ioannidou: „Wenn ich Krafttraining periodisiere, braucht es einen Zeitrahmen. Ich kann nicht zwei Wochen hochfahren, dann zwei Wochen runterfahren. Schlaf, Ernährung, Stress spielen für den Muskelaufbau auch eine Rolle.“

Man müsste zudem eigentlich jeden Tag neu messen, wie hoch die Konzentrationen der beiden Haupthormone ist. Das sei in der Praxis nicht umsetzbar, im Leistungssport und Teamsport erst recht nicht.

Fokus auf Ernährung

Die Ernährung scheint allerdings ein einfacher zu beherrschender Faktor zu sein. Seinen Mikronährstoffhaushalt ausgeglichen zu halten und in kein großes Energiedefizit zu kommen – das RED-S-Syndrom (Relatives Energiedefizitsyndrom im Sport) bewirkt, dass bei Sportlerinnen die Menstruation ausbleibt – kann das Krafttraining in allen Zyklusphasen unterstützen.

Ausführlich mit dem Thema „Zyklusgerechte Ernährung“ haben sich die Autorinnen Andrea und Verena Haselmayr und Denise Rosenberger beschäftigt. In ihrem Buch „Eat like a Woman“ präsentieren sie vegane Rezepte, die den weiblichen Körper in jeder Phase optimal versorgen. Das wären in der ersten Phase vor allem Vitamine, Mineralien und Eiweiß und in der zweiten Magnesium, Eisen und komplexe Kohlenhydrate. Rohkakao und Schafgarbentee helfen gegen Menstruationskrämpfe und Leinsamen und Kürbiskerne bei einem niedrigen Östrogenspiegel.

Rosenberger berichtet von ihrer Recherche: „Es gab bisher nur theoretische Ansätze, zu zeigen, wie Ernährung den Zyklus unterstützen kann, aber noch kein Kochbuch. Die richtigen Nährstoffe unterstützen aber die Funktion von Leber, Niere, Darm und Schilddrüse und diese Organe sind essentiell, da sie Hormone abbauen oder deren Produktion unterstützen.“ So seien auch Heißhungerattacken ein Indikator dafür, dass dem Körper Nährstoffe fehlten. Sie plädiert ebenfalls für ein Zyklustagebuch, um solche Auswirkungen zu dokumentieren. Auch sie will aber keine Dogmen aufstellen: „Ein harmonisches Leben im Einklang mit dem Zyklus ist das Ziel.“

Was bleibt also als Fazit? Ioannidou mahnt zu Geduld: „Alles ist noch zu früh, wir können noch keine konkreten Schlüsse ziehen. Deshalb sollten Athletinnen darauf achten, alle anderen Rahmenbedingungen zu schaffen: viel Schlaf, wenig psychoemotionaler Stress und ausgewogene Ernährung, die nicht zu sehr ins Defizit führt.“

Fazit: Mehr als ein Hyp

e Festzuhalten bleibt aber bereits jetzt, dass zkylusorientiertes Training kein Hype, kein Modebegriff und auch keine Randerscheinung ist. Sondern lediglich noch in der Erforschung steckt, aber an Bedeutung zunehmen wird. Eine, die bereits seit 2018 zyklusoptimiertes Training durchzieht, ist Profi-Triathletin Laura Zimmermann, die darüber zur Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin sagte: „Ich würde jeder Leistungssportlerin zu zyklusgerechtem Training raten, weil es das Körperbewusstsein sensibilisiert, die Performance verbessern kann und die Verletzungsgefahr senkt. Ich wünsche mir, dass der weibliche Zyklus in der Öffentlichkeit als normaler, ja sogar potenziell förderlicher Aspekt gesehen und im Training entsprechend behandelt wird.“

Felicitas Rohrer

Bild: ©Shutterstock.com_2152614985


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