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10.08.2023

„Der entscheidende Faktor ist die Regeneration“

„Der entscheidende Faktor ist die Regeneration“

Interview mit Martin Krüger, Athletiktrainer 1. FC Union Berlin

Seit dem Aufstieg in die Bundesliga im Sommer 2019 hat sich der 1. FC Union Berlin kontinuierlich nach oben gearbeitet und in dieser Saison sensationell erstmals die Champions League erreicht. Neben einer guten Transferpolitik und akribischer Arbeit ist auch die Fitness einer der Erfolgsfaktoren. Die laufstarken Berliner wiesen ligaweit die wenigsten Verletzungen auf. Wir sprachen mit Athletiktrainer Martin Krüger über die Faktoren einer erfolgreichen Trainingssteuerung.

TT-DIGI: Lieber Martin, Glückwunsch zu einer erneut starken Saison! Welche Rolle spielen Athletik und Fitness im Profifußball?

Martin Krüger: Dankeschön! Der Bundesliga-Fußball ist in den vorigen Jahren immer intensiver geworden. Von daher müssen die Akteure gewisse athletische Voraussetzungen mitbringen.

Ihr hattet in der Saison 2022/23 nur 18,5 verletzungsbedingte Ausfalltage pro Spieler und damit deutlich weniger als München (53) oder Dortmund (55). Inwieweit sind Verletzungen aus deiner Sicht vermeidbar?

Die meisten Verletzungen sind vermeidbar. Etwa 20 bis 25 Prozent muss man sicher durch die intensive Form des Kontaktsports in Kaufnehmen, der Rest ist auf Faktoren wie Tempo oder Ermüdung zurückzuführen.

Wie wichtig ist die Vorbereitung für eine gute Saison?

Aus meiner Sicht wird die Bedeutung der Vorbereitung etwas überschätzt. Die fünf, sechs Wochen reichen nicht für die komplette Saison. Die Arbeit an Fitness und Athletik ist ein stetiger Prozess vom ersten bis zum letzten Spieltag. Wir wollen alle Spieler besser machen, auch die weniger aktiven Akteure.

In der Bundesliga geht es um Leistung. Da ist es ein schmaler Grat zu Überbelastung bzw. Verletzungen. Wie gelingt euch das?

Angst vor Verletzungen darf es nicht geben, diese gehören leider dazu. Wir sind im intensiven Austausch mit den Spielern und gleichen deren Feedback auch mit unseren Daten ab. Im Zweifel muss man dann mal bremsen oder pushen, also be- oder entlasten. Dazu stimmen wir uns mit dem Spieler und dem Trainerteam ab.

Wie wichtig sind individuelle Pläne?

Ganz wichtig ist der individuelle Ansatz. Welche Grundausbildung hat der Spieler und wie ist er sozialisiert? Ist er eher der schnellkräftige Typ? Auch die Art der Ansprache ist unterschiedlich, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Stichpunkt Trainingssteuerung: Welche Faktoren sind aus deiner Sicht ausschlaggebend?

Bei jedem Spieler achten wir auf die Verletzungshistorie, insbesondere bei schweren Verletzungen am Knie oder an der Achillessehne. Wir steuern beim Training die Intensität und die Belastung, um Folgeverletzungen zu vermeiden. Die Spieler sollen am Spieltag bei 100% sein. Aber auch unter der Woche sollte es keine Angst vor maximalen Reizen geben. Wir trainieren so intensiv wie wir auch spielen. Der entscheidende Faktor ist die Regeneration. Hier binden wir neue Erkenntnisse in unsere Pläne mit ein.

Welche Schwerpunkte setzt ihr in Englischen Wochen?

Interessanterweise weisen Statistiken daraufhin, dass Teams mit zwei Spielen pro Woche weniger Verletzungen haben. In Englischen Wochen gibt es zwischen den Spielen eigentlich fast nur Zeit zur Regeneration. Die meisten Verletzungen passieren beim Training. Bei vielen Spielen sind Konzentration und Spannung aus meiner Sicht eher da. Wer locker lässt oder das Training eher automatisiert angeht, verletzt sich eher.

Wie abwechslungsreich ist das Athletiktraining bei euch?

Da wir Wert auf ähnliche Abläufe legen, eher wenig abwechslungsreich. Die Spieler sollen sich nicht zu oft auf neue Dinge einstellen müssen. Das führt zu weniger Stress und mehr Fokus. Dennoch setzen wir natürlich Reize.

Trainiert ihr auch an Geräten oder eher frei?

Wir setzen eher auf freie Übungen, da geführte Übungen keine lebensnahen Bewegungen abbilden. Bei uns kommen beispielsweise Kettlebells und Bänder zum Einsatz. Bei der Regeneration setzen wir auf Cardiogeräte, Intervalltraining findet auf dem Platz statt.

Was ist dir bei Trainingsgeräten besonders wichtig?

Ich bin ein Fan von Functional Training. Moderne Tower geben mir die Möglichkeit, mehrere Spieler auf recht kleinem Raum gleichzeitig trainieren zu lassen. Aber auch moderne Trainingsgeräte bieten spannende Möglichkeiten und Funktionen an wie beispielsweise Widerstand.

Welche Rolle spielt Ernährung bei euch?

Derzeit haben wir noch keine individuelle Ernährungsberatung. Wir geben den Spielern aber gern Tipps. Und manche jungen Spieler können nicht kochen. In diesem Bereich haben wir durch unsere rasante Entwicklung sicherlich noch 5 bis 10% Potential zur Leistungssteigerung.

Hochleistungssport vs. Gesundheitssport: Was könnte man dennoch von euch lernen?

Generell sehe ich wenig Gemeinsamkeiten. Aber wir verfolgen, insbesondere nach Verletzungen, einen präventiven Ansatz. Die Spieler sollen dauerhaft gesund bleiben.

Danke für das Interview und viel Erfolg in der neuen Saison!

Das Interview führte Philipp Hambloch.


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