
Digitalisierung
19.12.2024
Der digitale Hausbesuch

Videotherapie in der modernen therapeutischen Patientenversorgung
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 startete schlagartig auch die Videotherapie im Therapiewesen durch. Jens Zschocke berichtet von den Erfahrungen aus seiner Praxis und wirft einen Blick auf die Rahmenbedingungen.
Aufgrund der plötzlichen Terminabsagen mussten wir uns im März 2020 schnell eine kontaktlose Alternative einfallen lassen. Tablets waren zum Glück schon vorhanden – jetzt musste noch ein DSGVO-konformer Anbieter her, sowie rechtliche Voraussetzungen überprüft und erfüllt werden. Flyer gingen in den Druck und auf den sozialen Medien wurde die Werbetrommel gerührt. Auch Bestandspatienten, bei denen die Voraussetzungen hierfür gegeben waren, haben wir angerufen.
Umsetzung schnell und unkompliziert möglich
Die Einführung war schnell und unkompliziert möglich. Die Technik für Videotelefonie steckt heutzutage in jedem Smartphone und Tablet. Schnell lernten wir das Instrument der Videotherapie kennen und schätzen. Wäre es nicht schön, sich als digitale und fortschrittliche Praxis am Markt zu positionieren?
Im Prinzip können alle Physiotherapierezepte mit den folgenden Heilmitteln mit einer definierten Anzahl an Einheiten pro Verordnung als Videotherapie mit der GKV abgerechnet werden: KG (50 %), KG-ZNS (bis zu drei Einheiten), KG-ZNS Kinder (bis zu drei Einheiten), KG Muko (50 %), Manuelle Therapie (eine Einheit). Bei einer privaten Krankenversicherung (PKV) steht es uns vollkommen frei.
Von Vorteil: App mit Übungen
Aus meiner Erfahrung heraus ist es von Vorteil, wenn die Praxis eine App für Trainingspläne nutzt. So kann man die passenden Übungen in die Trainingspläne der Patienten laden und diese per Video in der Theorie und dann auch praktisch durchgehen. Alternativ kann man die Trainingspläne auch per E-Mail versenden. Es sollte immer darauf geachtet werden, dass der Patient die Übungen gefahrlos allein durchführen kann und natürlich über das nötige technische Verständnis verfügt.
Neue Vergütungsvereinbarung erstattet Anschaffungs- und Unterhaltungskosten
Zum neuen Jahr tritt auch eine Vergütungsvereinbarung für die Physiotherapie mit der GKV in Kraft, wobei eine Finanzierungspauschale in Höhe von 950 Euro im Jahr für die Anschaffung geeigneter Hardware und deren Unterhalt zunächst für die Jahre 2025, 2026 und 2027 beantragt werden kann. Des Weiteren kann eine Kostenpauschale für die Anschaffung und den Unterhalt geeigneter Software in Höhe von 300 Euro im Jahr bis einschließlich 2028 beantragt werden. Meiner Erfahrung nach deckt dies die tatsächlichen Ausgaben, abhängig von der Hardware, dem Paket des Softwareanbieters und der Anzahl der Behandler fast vollständig.
Es ist ratsam, nicht gleich alle Therapeuten als Behandler zu registrieren, weil dies die Kosten in die Höhe treibt und vielleicht nicht benötigt wird. Vorsicht auch vor langen Vertragslaufzeiten. Es gibt Tarife, die monatlich kündbar sind. Ab dem 1. Januar kann die Förderung über das Antragsportal des GKV-Spitzenverbandes beantragt werden.
Terminausfälle minimieren, Umsatz steigern
Die Videotherapie half uns, so manche kurzfristige Absage zu vermeiden und damit die generelle Ausfallquote zu senken. Bei vergessenen Terminen, aber auch bei neuerlichen Streiks im Nahverkehr oder sonstigen Gründen können wir nun (wenn die Voraussetzungen erfüllt sind) einen spontanen Videotermin anbieten und vermeiden in manchen Fällen den Umsatz- und Terminausfall. Dies ist bei ca. 20 Prozent aller Absagen in unserer Praxis der Fall.
Auch eine kurzfristige, leichte Erkrankung des Patienten/ der Patientin ist kein primäres Hindernis für einen Videotermin, solange er/sie körperlich in der Lage ist, den Termin per Video wahrzunehmen. Ein weiterer Vorteil der Videotherapie ist auch unter dem Aspekt des Klimaschutzes zu sehen. Der Videotermin von zu Hause ist z.B. klimafreundlicher als die Autofahrt zum Therapeuten. Bei mir finden 10 Prozent aller Termine mittlerweile per Video statt. Einige Patienten behandle ich, mit Ausnahme des Ersttermins, zur Hälfte per Videotherapie.
Belastbare Zahlen zur Videotherapie gibt es leider noch nicht, diese werden aber mit Sicherheit in den neuen Statistiken der Krankenkassen im Laufe des nächsten Jahres veröffentlicht. Durch die Förderung seitens der GKV ab 2025 wird mit einem raschen Zuwachs der Videotherapie gerechnet. Damit hat die Videotherapie ihren festen Platz im Therapiewesen und ist zu einem wichtigen Instrument herangereift, welches wir alle kennen und nutzen sollten.
Mögliche Probleme in Bezug auf die Videotherapie
Ein grundlegendes Verständnis im Umgang mit Technik sollte auf beiden Seiten vorhanden sein. Wer in der Lage ist, sein Smartphone zu bedienen und damit einen Videoanruf zu tätigen, kommt auch sehr schnell mit der Videotherapie zurecht. Ist dies allerdings nicht der Fall, macht die Videotherapie wenig Sinn. Wie bereits erwähnt, sollte die Internetgeschwindigkeit auf beiden Seiten stimmen. Diese kann man vorher z.B. mit der App „Breitbandmessung“ testen. Ist diese nicht ausreichend (WLAN zu langsam) kann man versuchen, das Handynetz zu nutzen. Hier sollte auf ein ausreichendes Datenvolumen geachtet werden.
Fazit: Videotherapie als sinnvolle Ergänzung
Mit dem nötigen technischen Verständnis, welches heutzutage jeder, der ein Smartphone sein Eigen nennen darf, besitzt, kann jede Physiotherapie-, Ergotherapie und Logopädie-Praxis Videotherapie anbieten. Patienten sollte die Videotherapie gründlich erklärt und proaktiv angeboten werden. Wir haben dies über Flyer und Videos in den sozialen Medien und durch direkte Ansprache der Bestandspatienten erreicht. Beim ersten Videotermin bieten wir auch parallel einen kleinen telefonischen Support an. Danach funktioniert es dann meist ohne unsere Hilfe.
Erhebliche zusätzliche Anreize bietet die Förderung der GKV ab Januar 2025. Für Ergotherapeuten und Logopäden ist die Förderung schon in diesem Jahr möglich. Sie erhalten pauschal 1.000 Euro/Jahr. Wichtig ist es, einen DSGVO-konformen Anbieter aus der Liste der GKV zu wählen. Diese kosten mehrheitlich um die 20 Euro im Monat pro Behandler. Die schriftliche Einwilligung des Patienten ist vor dem ersten Termin zwingend einzuholen (Musterformulare stellen oft die Anbieter zur Verfügung). Erfüllt das Rezept die nötigen Bedingungen, ist die Videotherapie eine sehr sinnvolle Ergänzung, die uns hilft, Terminausfälle zu vermeiden und die Therapietreue des Patienten sicherzustellen.
Jens Zschocke
Die Rahmenbedingungen für eine gelungene Videotherapie
- Der erste Termin des Rezeptes findet regulär in der Praxis in Präsenz statt.
- Der Physiotherapeut muss sich während des Termins in der Praxis befinden.
- Es ist eine schriftliche Einwilligung des Patienten vorhanden.
- Die Software ist durch die GKV zertifiziert.
- Die Behandlung ist auf dem Rezept mit dem Kürzel „TM“ hinter dem Heilmittel zu versehen.
- Das Rezept muss nicht mehr zwingend vom Patienten unterschrieben werden. Eine schriftliche Bestätigung der Termine, die per Videotherapie stattfanden (z.B. per E-Mail), an das Rezept geheftet, reicht aus.
- Eine Kombination innerhalb des Rezeptes zwischen Videotherapie und Präsenztherapie ist erwünscht.
- Außerdem ist eine stabile Internetverbindung mit mindestens 100 Mbit/s erforderlich.
- Bei Tablets gibt es keinerlei Vorgaben. Wichtig ist, dass sie noch mit Softwareupdates der Hersteller versorgt werden und der auf dem neuesten Stand ist. Das Tablet sollte über eine Frontkamera (diese wird genutzt) mit mindestens 2 Megapixeln (MP) verfügen, die eine Full-HD-Auflösung unterstützt. Ein geeignetes Stativ sollte ebenfalls angeschafft werden.
- Zertifizierte Videodienstanbieter findet man online auf einer Liste des GKV Spitzenverbandes.
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