Gesundheit

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08.05.2025

Der Algorithmus deines Lebens

Der Algorithmus deines Lebens

Dank KI 800 Jahre leben? Teil 4: Entschlüsselt KI den Code für ewige Jugend?

In einer Welt, in der das Altern als unausweichliches Schicksal gilt, zeichnet sich eine revolutionäre Wende ab: Die Verschmelzung von Künstlicher Intelligenz und Biomedizin verspricht nicht nur ein längeres, sondern auch ein fundamental gesünderes Leben – sogar jenseits der 100-Jahre-Marke. Die Longevity-Bewegung steht an der Schwelle zu bahnbrechenden Durchbrüchen, und KI könnte der Schlüssel zur „ewigen Jugend“ sein.

„Ich glaube, dass das Altern eine Krankheit ist. Und ich glaube, sie ist heilbar. Wir können diese Krankheit innerhalb unserer Lebensdauer behandeln. Und indem wir das tun, wird sich alles, was wir über die menschliche Gesundheit wissen, grundlegend verändern", erklärt David Sinclair, Professor für Genetik an der Harvard Medical School.

Diese Erkenntnis birgt revolutionäres Potenzial: Die Todesursache Nummer eins, sagt Sinclair, sei nicht Krebs oder Herzerkrankungen – es ist das Altern selbst. Er schätzt, dass es für 90 % der weltweiten Sterblichkeit verantwortlich sein könnte. Doch Altern wird bisher nicht offiziell als behandelbare Krankheit anerkannt – ein Status quo, den Forscher wie Sinclair verändern wollen. Auch weil es sich hier um einen riesigen Markt handelt, der gerade von der Wellness- und Fitness-Branche entdeckt wird.

Die Zahlen sprechen für sich: Das Global Wellness Institute beziffert die weltweite Wellness-Wirtschaft im Jahr 2023 auf 6,3 Billionen US-Dollar – mit einer prognostizierten Steigerung auf 9 Billionen Dollar bis 2028 (9 Trillion in US-amerikanischer Schreibweise). Ein gewaltiger Markt, angetrieben vom wachsenden Interesse an Anti-AgingTechnologien.

KI – der Turbo für die Entschlüsselung des Alterungscodes

Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Supercomputer, der Millionen biochemischer Reaktionen in Sekundenbruch - teilen simulieren kann: Genau das leistet KI für die Alterungsforschung. Während konventionelle Wissenschaft Jahrzehnte benötigen würde, um alle relevanten Faktoren des Alterungsprozesses zu untersuchen, kann künstliche Intelligenz diesen Ablauf dramatisch beschleunigen. So erforscht Altos Labs, ein von Jeff Bezos und Yuri Milner unterstütztes Biotech-Unternehmen, revolutionäre Ansätze zur Verlangsamung oder Umkehrung des zellulären Alterns. Das Unternehmen setzt auf biologische Reprogrammierungstechnologien, darunter die sogenannten Yamanaka-Faktoren – vier Proteine, die Zellen in einen embryonalen Stammzell-ähnlichen Zustand zurückversetzen sollen.

Bei der Finanzierung von Longevity-Startups tummeln sich Milliardäre – in der Hoffnung, dass sie hier künftig etwas erwerben können, was ihnen wie allen Normalsterblichen bisher verwehrt war: (fast) ewiges Leben. Die Firma Insilico Medicine demonstriert eindrucksvoll, wie KI über reales Verjüngungspotential verfügt. Ihr Wirkstoffkandidat ISM001-055 ist der erste seiner Art, der nachweislich Anti-Aging-Eigenschaften aufweist und zelluläre Alterungsprozesse unterdrücken kann. Als seno - morphisches Medikament zielt es auf den sogenannten seneszenz-assoziierten sekretorischen Phänotyp alters - bedingter Zellen ab – jener Zellen, die sich nicht mehr teilen und mit zunehmendem Alter in Geweben ansammeln.

Von der Theorie zur Praxis: Die Revolution erreicht den Alltag

„Heute, mit 82, habe ich mehr Vitalität als vor 30 Jahren“, berichtet Longevity-Coach Peter Brockhaus. Damals erhielt er eine Krebsdiagnose mit der verbleibenden Lebensdauer von wenigen Monaten. Der Unternehmer – Gründer der Windsurfing-Marken F2 und Mistral – änderte seine Lebensgewohnheiten radikal und tauchte tief in medizinische Fragestellungen ein. Der Schlüssel in seinen Workshops liegt in der Datenerhebung und -analyse. „Wir messen nicht nur die Blutwerte, sondern alle Biomarker mit epigenetischem Ansatz", erklärt Brockhaus, „aber auch den Schlaf, die sportlichen Werte und die kognitiven Leistungen." Der Gedanke da - hinter ähnelt der vorbeugenden Wartung eines Fahrzeugs: Warum warten, bis etwas kaputtgeht, wenn man durch regelmäßige Checks Probleme vermeiden kann?

Die neue Ära der präventiven Gesundheitsscans

Ein faszinierendes Beispiel sind die Ganzkörper-MRT-Scans des Schweizer Unternehmens Aeon. Schicht für Schicht klickt sich der Arzt – unterstützt durch KI – von der Schädel - decke bis zum Oberschenkel. Auf dem eigenen Smartphone kann man später diese Bilder selbst nachvoll - ziehen. Kombiniert mit der Analyse von Blut-Biomarkern werden nicht nur Krebs oder Gehirntumore früh - zeitig erkannt, sondern auch über 500 weitere Auffälligkeiten. Die Kosten von rund € 2.500 werden anteilig von bestimmten Zusatzversicherungen übernommen. Denn Vorbeugen ist besser und günstiger als Heilen.

Ein ähnlich vielversprechendes Bei - spiel ist ein neuer Test zur Früherken - nung von Parkinson, der spezifische Eiweiße im Blut identifiziert. „Dieser Test ermöglicht es, die Parkinson Krank heit in einem Stadium zu diagnosti zieren, in dem sie von außen noch nicht sichtbar ist", sagt Dr. Michael Bartl von der Universitätsmedizin Göttingen, der an diesem Projekt forscht.

Der digitale Zwilling: Wenn der Avatar zum Gesundheitsberater wird

Während ein MRT den Körper von innen analysiert, vermisst Scaneca ihn von außen – und erschafft einen präzisen Ganzkörper-Avatar, basierend auf einem 3D-Scan. Dieser Avatar ermöglicht einen objektiven Blick auf den eigenen Körper und hilft, individuelle Trainings- und Therapieziele zu definieren.

Niedrigschwelliger sind Apps wie Spren, die das Smartphone in ein „validiertes Gesundheitslabor" verwandeln, oder die Longevity-App Welltory, die mit dem Slogan wirbt: „Dein Körper weiß immer, was du brauchst, um gesünder zu sein."

Vom Fitness-Plan zur GesundheitsStrategie, das ist auch der Weg, den Technogym jüngst eingeschlagen hat. Mit dem Konzept „Healthness“ verfolgt der italienische Konzern einen ganzheitlichen Ansatz, der über bloße Fitness hinausgeht und das Wohl - befinden in den Mittelpunkt stellt. Es geht darum, Bewegung, Ernährung und mentale Gesundheit in Einklang zu bringen, um ein aktives und erfülltes Leben zu fördern. Healthness soll als neuer und KI-optimierter Lifestyle etabliert werden, um Menschen zu befähigen, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen.

Von der individuellen zur gesellschaftlichen Revolution

Derart ganzheitlichen Konzepte sind eine Wachstums-Chance für etablierte Gyms. Doch gerade die Altersgruppe der von Longevity besonders faszinierten Babyboomer braucht ein hybrides Modell. Die Generation von Bill Gates, Steve Jobs und Jeff Bezos ist zwar durchaus technik-affin, schätzt aber auch eine individualisierte Ansprache. Durch kompetente Trainer, nicht durch Roboter.

Anbieter wie ACISO entwickeln strategische Lösungen und promoten z.B. auch „Gesundheit braucht Muskeln“, die bundesweite Initiative für die Zielgruppe 60+. Das Thema Longevity hat enorme gesellschaftliche Implikationen. Der Stadtstaat Singapur geht als leuchtendes Beispiel voran. Mit seiner Smart Nation Initiative integriert Singapur KI und Gesundheitsdaten für ein besseres Gesundheitsmanagement. Das Programm „Healthier SG" (SG ist das Domain-Kürzel für Singapur) ermutigt Bürger, einen persönlichen Gesundheitsplan zu entwickeln. Beeindruckend sind die Programme wie „GetActive! Singapore", die körperliche Aktivität durch Gemeinschaftsprogramme fördern.

Das Programm „Move It" bietet kostenlose, von Trainern geleitete Gruppenworkouts an über 50 Stand - orten an. Belohnt wird auch gesunde Ernährung. Was bedeutet es, wenn wir plötzlich 120 oder mehr Jahre leben könnten? Diese Frage berührt unser grundlegendes Verständnis von Lebenszeit, Karriere und Gesellschaft. So ist Longevity nicht nur ein Trend, sondern die Neudefinition des menschlichen Potenzials – und vor allem auch eine Chance für neue Geschäftsmodelle.

Die Frage ist weniger, wann genau wir den Code der ewigen Jugend knacken werden – sondern wie wir mit den persönlichen, gesellschaftlichen, kommerziellen und ethischen Konsequenzen umgehen. Der Algorithmus des Lebens wird neu geschrieben – und KI hält den Stift in der virtuellen Hand.


Die Autoren

Christoph Santner und Christine Papadopoulos sind KI-Experten, Autoren und Consultants mit ihrer Firma Summit Media GmbH in Gstaad, Schweiz. Einer ihrer Schwerpunkte ist das Thema KI, Wellbeing & Longevity. Kürzlich erschien Santner’s Buch ‚Alles KI? Die neue Welt der Künstlichen Intelligenz verstehen und nutzen. Kontakt: christoph@summitmedia.ch www.ainitiative.net, www.allesKI.com

Bilder: KI-generiert mit Midjourney von Christina Papadoupoulos und Christoph Santner


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