
Gesundheit
12.06.2025
Beweglichkeit, Wahrnehmung und Kognition gezielt erhalten

Neuro-Training für Senioren
Wie lassen sich Mobilität und geistige Fitness im Alter erhalten? Diese Frage gewinnt angesichts einer alternden Gesellschaft zunehmend an Relevanz – insbesondere für Trainer, Therapeuten, die präventiv oder therapeutisch im Seniorensport arbeiten.
Im höheren Lebensalter verändern sich nicht nur körperliche Strukturen wie Muskulatur oder Gelenke – auch die Funktionalität des Nervensystems nimmt ab. Sensorische Defizite wie nachlassendes Sehen und Hören, reduzierte Bewegungsgenauigkeit und kognitive Einbußen sind häufige Folgen. Moderne Trainingskonzepte sollten daher nicht nur den Körper, sondern auch das Nervensystem einbeziehen. Neuro-Training bietet hier einen wirksamen Ansatz: Durch gezielte Trainingsreize werden zentrale Steuerungsprozesse im Nervensystem verbessert. Trainiert wird also nicht nur eine Bewegung oder der Muskel – sondern das Gehirn selbst.
Unser Gehirn hat die Fähigkeit, sich lebenslang durch Reize und gezielte Impulse zu verändern, neue Verknüpfungen zu bilden und verlorene Funktionen teilweise zu kompensieren. Diese Neuroplastizität bleibt auch im Alter erhalten. So lassen sich neuronale Fähigkeiten verbessern, Bewegungsmuster neu lernen und verloren geglaubte Kapazitäten reaktivieren. Voraussetzung ist jedoch die bewusste und regelmäßige Stimulation sensorischer und motorischer Systeme.
Wie dies praktisch aussieht, zeigen die folgenden drei Beispiele.
Beweglichkeit erhalten: die Bedeutung sensorischer Informationen
Mobilität ist im Alter kein Selbstläufer. Häufig klagen Senioren über unsichere Bewegungsabläufe, steife Gelenke oder schmerzhafte Bewegungen. Solche Einschränkungen beruhen nicht allein auf strukturellen Veränderungen im Bewegungsapparat, sondern oft auf einer verminderten Qualität der sensorischen Rückmeldungen aus der Peripherie an das Gehirn. Propriozeptive Informationen – die Wahrnehmung von Gelenkstellung, Muskelspannung und Körperposition im Raum – bilden die Grundlage präziser Bewegungssteuerung. Zusätzlich werden sensorische Informationen im Gehirn vor motorischen verarbeitet.
Die Verbesserung der Propriozeption sowie eine sensorische Aktivierung, z.B. über Abklopfen oder Streicheln der zu bewegenden Gelenke, optimieren daher die Bewegungsgenauigkeit sowie die motorische Effizienz und tragen so zur Erhaltung der Mobilität bei. Bewusste Ansteuerung von unterbeanspruchten Gelenkregionen, Bewegungsvariationen und gezielte Positionsveränderungen fördern die Ansteuerung zentraler neuronaler Strukturen.
Trainingsansätze sollten daher verschiedene Bewegungsrichtungen, dreidimensionale Bewegungen und sensorische Stimulation, insbesondere vor der Bewegungsausführung, integrieren, um die Beweglichkeit zu fördern oder zu erhalten.
Visuelle Fähigkeiten trainieren: mehr Sicherheit im Alltag
Das visuelle System spielt eine zentrale Rolle bei der räumlichen Orientierung sowie der Steuerung von Haltung und Bewegung. Altersbedingte Einschränkungen von Sehschärfe, Augenbeweglichkeit oder peripherer Wahrnehmung führen zu Unsicherheiten im Gangbild, kompensatorischem Verhalten (z. B. Blick auf den Boden) und einem erhöhten Sturzrisiko.
Der Erhaltung effizienter visueller Verarbeitung kommt daher eine hohe Bedeutung zu. Gezieltes und regelmäßiges Training unterschiedlicher visueller Fähigkeiten verbessert nicht nur die Sehqualität und sorgt für ein stabileres Gangbild, sondern wirkt sich positiv auf zahlreiche weitere Körperfunktionen aus. Selbst kognitive Prozesse wie Aufmerksamkeit und Reaktionsgeschwindigkeit profitieren von einem aktiven visuellen System. Augenübungen wie Blicksprünge, Augenfolgebewegungen, periphere Wahrnehmung oder Akkommodationstraining sind hier einige Beispiele.
Bereits geringe, aber regelmäßige visuelle Stimuli können die Aktivität vieler Hirnareale verbessern und damit die Sicherheit und Reaktionsfähigkeit im Alltag nachhaltig erhöhen.
Kognitive Leistungsfähigkeit erhalten: Selbstständigkeit bewahren
Mit zunehmendem Alter nehmen kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit, selektive Aufmerksamkeit, Erinnerungsvermögen und die Entscheidungsfähigkeit häufig ab. Diese Prozesse sind jedoch essenziell für selbstständiges Handeln und sichere Bewegungsausführung. Besonders der präfrontale Kortex, zuständig für Planung, Flexibilität und Entscheidungstreffen, sowie der Hippocampus als Schlüsselregion für Gedächtnis und räumliche Orientierung unterliegen altersbedingtem Abbau.
Gezielte Übungen können diese Hirnregionen aktivieren. Kombinationen motorischer Aufgaben mit kognitiven Anforderungen – etwa Koordinationscharts, Reaktionslichter, duale Aufgaben oder Entscheidungsübungen – fördern die neuronale Flexibilität. Entscheidend ist die Herausforderung, unter variablen Bedingungen schnell und präzise zu reagieren. Bereits kurze, aber regelmäßige Impulse steigern die neuronale Aktivität, fördern neue Verknüpfungen und erhalten bestehende Netzwerke, um kognitive Leistungsfähigkeit zu sichern und neurodegenerativen Prozessen entgegenzuwirken.
Fazit: Neurozentrierte Ansätze als unverzichtbarer Bestandteil modernen Seniorentrainings
Für Trainer und Therapeuten eröffnet die gezielte Einbindung des Nervensystems einen praxisrelevanten Zugang zur Verbesserung alters - bedingter Einschränkungen. Neurozentriertes Training schließt dabei eine zentrale Lücke klassischer Konzepte: Es behandelt nicht nur Symptome, sondern stärkt ursächlich die neuronalen Grundlagen funktionaler Fähigkeiten. Ansätze, die das Nervensystem systematisch in bestehende Bewegungskonzepte integrieren, leisten einen entscheidenden Beitrag zur Förderung von Sicherheit, Mobilität und Selbstständigkeit im Alter und tragen dazu bei, Alltagsfähigkeiten langfristig zu erhalten und Abbauprozesse gezielt zu bremsen.
Die Autoren
Lisa Könings ist Diplom-Oecotrophologin, Ernährungsberaterin/DGE und Fitnesscoach. Ihr Schwerpunkt liegt in der neurozentrierten Ernährungsberatung.
Andreas Könings verfügt als Ausbilder und Mentor im Bereich Neuroathletik über langjährige Erfahrung und leitet die Deutsche Neuro-Akademie. Als Autor und Referent vermittelt er diesen richtungsweisenden Trainingsansatz zudem einer breiten Öffentlichkeit. www.neuroathletik-training.de, Instagram: @neuroakademie, YouTube-Kanal: Neuroathletik Training – Die Schmerzrevolution
Gemeinsamer Podcast: Neuro360
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