Therapie

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09.05.2024

„Atmen ist die Basis allen Lebens“

„Atmen ist die Basis allen Lebens“

Ein Blick auf die Möglichkeiten der Atemtherapie

Ohne zu atmen, würden wir nicht leben, das ist klar. Aber welche Rolle spielt der Atem noch? So wird beispielsweise im Yoga, im Qigong, aber auch im Pilates immer wieder auf die Art des Atmens geachtet. Gibt es ein richtiges oder falsches Atmen? Atemexpertin Rumi Buchner antwortet.

Rumi Buchner ist Atemtherapeutin und zudem Heilpraktikerin und Osteo pathin. Ihre Ausbildung zur Atemtherapeutin begann sie 2006 im Atemhaus in München. Um das anatomische Wissen und ihre rechtliche Situation auf „sicheren Boden zu stellen“, wie sie sagt, legte sie 2016 zusätzlich die Heilpraktiker-Prüfung ab. Ihr Wissensdurst war jedoch noch nicht gestillt, sie wollte die mensch - liche Anatomie unbedingt noch detaillierter kennenlernen. Deshalb absolvierte sie eine 6-jährige Osteo - pathie-Ausbildung an der STILL ACADEMY in Leipzig, die sie 2022 erfolgreich abschloss. TT-DIGI fragte bei ihr nach, wie wichtig der Atem für uns ist – über das rein funktionale Luftholen hinaus.

TT-DIGI: Was bedeutet Atem für Sie?

Rumi Buchner: Für mich ist der Atem die Basis allen Lebens. Wir beginnen unser Leben mit dem ersten Atemzug nach der Geburt und beenden es mit dem letzten Atemzug. Zusätzlich ist der Atem für mich ein spiritueller Lehrer. Wenn ich eine Freiheit im Atem entwickle, in der Hinwendung zu mir und meinem Körper, kann sich auch mein Geist und meine Seele entfalten. Das geht nur in allen Bereichen gemeinsam. Wie schon Romano Guardini sagte: „Der Atem ist das schwingende Band zwischen Körper, Seele und Geist.“

Wie können Sie die Atemtherapie mit der Osteopathie verbinden?

Anatomie ist die Grundlage all unserer Körperfunktionen und somit unseres Menschseins. Diese und der Atem sind für mich zur Grundlage aller Überlegungen geworden, um meine Patienten in Richtung Heilung zu begleiten. Daher funktioniert die Osteopathie bei mir nicht, ohne dass ich mein Atemwissen mit einfließen lasse, und Atemtherapie ist bei mir auf der Basis meines osteo pathischen Körperwissens aufgebaut. Es ist für mich also gar nicht mehr möglich, beides zu trennen. Unabhängig davon steht bei der Behandlung für mich immer der Mensch im Vordergrund. Die „Werkzeuge“ – ob osteopathisch oder atemtherapeutisch – sind zweitrangig.

Welchen Mehrwert bringt die Kombination Atemtherapie und Osteopathie?

Für mich ist das Wichtigste, dass der Patient in die eigene Freiheit findet. Freiheit im Atmen, Freiheit in den Bewegungen, im Gang und – wenn möglich – Schmerzfreiheit. Über die Osteopathie habe ich die Möglichkeit, die organischen Zusammenhänge zu erkennen, über mein Atemwissen kann ich den Menschen in ein freieres Atmen begleiten. Nur wenn die Freiheit auf allen Ebenen statt - findet, kann der Schmerz sich vollständig und dauerhaft auflösen. Wie schon Dr. med. Reinhold Voll (von der Akupunkt-Massage nach Penzel) sagte: „Der Schmerz ist der Schrei des Gewebes nach flutender Energie.“

Wie gelangt man zu einem freien Atmen?

Für den Atem gibt es viele Techniken, die angewandt werden, um mehr Kraft, Ausdauer, Ruhe oder Ähnliches zu entwickeln. Diese werden in vielen anderen Kursen, wie z.B. Yoga, genutzt. Mir geht es jedoch um einen freien Atem. Eine Entwicklung in die Freiheit der eigenen Persönlichkeit ist uns eher ungewohnt. Es gibt keine „Technik“, die einen frei atmen lässt, die die unwillkürliche Atmung tiefer werden lässt und verlängert. Ein Hinwenden zum Körper mit seiner ganz persönlichen Geschichte ist hier der Schlüssel. Das kann mit Osteopathie geschehen oder auch mit der eigenen Beschäftigung mit dem Atem, z.B. in den Angeboten in den Gruppenstunden. Hierbei ist die Aufforderung des Leiters wichtig, dass es kein richtig oder falsch gibt, sondern nur die Gegebenheiten jedes einzelnen Körpers und den Umgang damit. Dadurch kann eine Persönlichkeitsentwicklung möglich werden. Das geht langsam, braucht viel Ehrlichkeit mit sich selbst und beinhaltet, sich mit allen Seiten der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen – den angeneh - men, aber eben auch den unangenehmen.

Bei welchen Krankheitsbildern hat sich der freie Atem bewährt?

Auf körperlicher Ebene ist das Spektrum breit, wenn man bedenkt, dass sich der Atem und das Herz gegen - seitig bedingen und beeinflussen. Alle Arten von Atemwegs- und HerzErkrankungen sind also unmittelbar mit Atemtherapie beeinflussbar, immer vorausgesetzt der Patient lässt sich wirklich ein auf eine persönliche Entwicklung. Das Zwerchfell und der Beckenboden sind essenziell für einen freien Atem und diese Strukturen begrenzen den Bauchraum. Somit sind alle Organe dieses Raumes ebenfalls atemtherapeutisch relevant. Um den menschlichen Körper komplett zu machen, fehlen also nur noch die Gliedmaße und der Kopf. Bewegung und Atem bedingen sich ebenfalls gegenseitig, was jeder merkt, der mal zur S-Bahn gerannt ist und „außer Atem“ war. Somit ist auch klar, dass eine flüssige Bewegung den Atem beeinflusst. Atemtherapie kann auch die Heilung für die Seele mit sich bringen, sodass sie für alle Arten von Beschwerden hilfreich sein kann. Denn Körper und Seele heilen oft gemeinsam, vor allem, wenn der Mensch als Ganzes wahrgenommen und behandelt wird.

Welche verschiedene Formen der Atemtherapie gibt es?

In der Beschäftigung mit dem Atem, so wie ihn Herta Richter im Atemhaus München praktiziert und gelehrt hat, gibt es drei Formen: Die Einzelbehandlung, die Atemmassage und die Gruppenstunde. In der Einzel - behandlung liegt der Patient zu - gedeckt und es entwickelt sich ein „Gespräch“ zwischen den Händen des Behandlers und dem Liegenden. In der Atemmassage wird der Liegende ähnlich einer klassischen Massage mit Öl massiert, nur dass der Atem im Mittelpunkt steht. In der Gruppenstunde werden Bewegungen angeleitet, die die Teilnehmer selbständig und in ihrem Maß und nach ihren persönlichen Bedürfnissen ausführen. Jede Form für sich hat ganz spezielle Vorteile: Die Behandlung geht oft tief und kommt aus der Psychotherapie, die Massage löst Verspannungen auf körperlicher Ebene und eine Atemgruppe kann eine wunderbare gegenseitige Stütze für die Teilnehmer sein, da hier oft eine tiefe Vertrautheit herrscht.

Könnten Sie sich vorstellen, Atemtherapie auch in einem Gesundheitsstudio als Kurs anzubieten?

Das Thema Atmung ist gerade ein großer Trend. Ich denke, dass der Atem vielen zu mehr Gesundheit und vor allem zu einer besseren Balance im Leben verhelfen kann. Daher kann sich jedes Gesundheitsstudio glücklich schätzen, wenn es einen guten Atemtherapeuten hat, der einen Kurs anbietet.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Reinhild Karasek

Bild: ©Shutterstock_1737902981


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